Energieeffizienzgesetz: Betreiber von Rechenzentren vor großen Herausforderungen

Mit dem kommenden Energieeffizienzgesetz sehen sich Betreiber von Rechenzentren vor große Herausforderungen gestellt. Wärmenetze seien zudem kaum ausgebaut.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen
Bürogebäude mit grünen Lichtakzenten

(Bild: Fahroni/Shutterstock.com)

Update
Lesezeit: 12 Min.
Inhaltsverzeichnis

Das Netteste ist noch "ambitioniert". Einige Experten umschreiben die geplanten neuen Vorgaben des Staates zur Energieeffizienz von Rechenzentren sogar als wären sie realitätsfern. In jedem Fall stellt die staatliche Regulierung die Betreiber der Rechenzentren vor große Herausforderungen. Der Referentenentwurf für das geplante "Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes" (EnEfG) wurde im Kabinett beschlossen und geht im Sommer in die Lesung. Wir haben mit Experten verschiedener Unternehmen über das Gesetzesvorhaben gesprochen.

Der Gesetzentwurf spiegele nicht die Realität der Rechenzentrumslandschaft wider. Dem aktuellen Gesetzentwurf nach müssen Rechenzentrumsbetreiber unter anderem ihre Abwärme zur Weiternutzung anbieten. Doch bisher fehlen Wärmenetze. Bis diese vorhanden sind, dauere es laut Dr. Ralph Hintemann, Forscher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit, noch mindestens zehn Jahre. Ebenfalls ungeklärt sei Staffan Reveman zufolge, der als Berater zur Energieversorgung tätig ist, wie die Wärme im Sommer genutzt werden kann.

Die Wärmenetze müssten hierzulande erst ausgebaut und modernisiert werden. In Deutschland gibt es zwar bereits ein paar Wärmenetze, dennoch werde die Wärme der Rechenzentren nicht reichen, um den Bedarf in Deutschland zu decken. Ebenso sei eine Wärmebedarfsplanung mit staatlicher Unterstützung notwendig. In Baden-Württemberg würden Kommunen bereits an der Wärmeplanung arbeiten.

In Schweden sei laut Reveman die Situation eine andere: Dort werden seit ungefähr 50 Jahren Wärmenetze gebaut, die Wärme von der Industrie an Nachnutzer weiterleiten. Öl- und Gasheizungen seien dort sehr selten. Wer nicht ans Wärmenetz angeschlossen sei, habe laut Reveman Wärmepumpen, die mit Strom aus Wasser- oder Kernkraft gespeist werden. In Frankfurt – wo es sehr viel Abwärme gibt – sei das Wärmenetz gerade einmal 300 Kilometer lang, während es in Stockholm 3.000 Kilometer lang ist. Dort sind neben Rechenzentren unter anderem auch U-Bahn-Schächte und Abwärme aus den Supermärkten angeschlossen. Zwar sei nach Einschätzung von Hintemann Schweden grundsätzlich ein Vorbild, allerdings herrsche dort beispielsweise auch ein anderes Klima und dementsprechend ein konstanterer Wärmebedarf.

Bisher sei wenig darauf geachtet worden, "dass Rechenzentren sich in Infrastrukturen integrieren", sagt Harry Knopf, Geschäftsführer von High Knowledge. Die Auswahl des Rechenzentrumsstandorts war eher abhängig von Internetknotenpunkten. Auf eine Anbindung an Fern- und Nahwärmenetze hätten die RZ-Betreiber daher nicht geachtet. Mit dem Energieeffizienzgesetz soll sich das ändern. Die Bereitschaft der Betreiber, Wärme wiederzuverwenden, sei grundsätzlich da. Bei einem RZ, dass vor zehn Jahren irgendwo in der Pampa gebaut wurde, wo gar kein Fern- oder Nahwärmenetz vorhanden sind, sei das jedoch problematisch.

Ralph Hintemann hält es für wichtig, dass Rechenzentren künftig da gebaut werden, wo die Abwärme auch genutzt werden kann: Meistens werden Rechenzentren nicht auf die grüne Fläche gebaut, wo nichts drumherum ist – sondern in Gewerbegebiete. "Aktuell haben wir jedoch nicht die Situation, dass es Abnehmer für die Wärme gibt." Es reiche nicht, wenn der Staat sagt: "Hier Rechenzentren, macht ihr mal". Der Netzausbau müsse gefordert werden und auch die Priorisierung nachhaltiger Stromerzeugung. Schöner wäre es gewesen, wenn man direkt mitgeregelt hätte, wer die Wärme aufnimmt.

Aktuell würden Rechenzentren trotz des Entwurfs für das EnEfG so gebaut, dass ihre Abwärme nicht genutzt werden kann. Da würde auch eine daneben gebaute Photovoltaikanlage nicht helfen. Auch in Hanau wird derzeit eines der größten Hyperscaler des Unternehmens Data4 gebaut, das mit Ökostrom betrieben werden soll. Dessen Abwärme dem Geschäftsführer von High Knowledge zufolge möglicherweise auch nicht unbedingt vollständig genutzt werden wird. Dass Nachhaltigkeit möglich ist, verdeutlicht Knopf anhand eines in ein Wasserwerk integriertes Rechenzentrum, an dessen Planung seine Firma beteiligt war. Die Fahrzeughalle wird durch die Abwärme aus der Anlage geheizt. Außerdem werden die Server laut Pressemitteilung im Rechenzentrum mit dem elf Grad kalten Wasser des Wasserwerks gekühlt.

Knopf findet es nicht gut, dass es im Gesetzentwurf keinen Bestandsschutz gebe. Außerdem werden im aktuellen Gesetzentwurf besonders kritische Rechenzentren nicht ausgeklammert. Zudem gibt es auch Rechenzentren, die zwar nicht unter KRITIS fallen, aber die dennoch als solche behandelt werden müssen – etwa die für Behörden, die auch den Anforderungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik unterliegen. Laut Engler müsse man die Energieeffizienz aber auch den Zweck eines hochverfügbaren Rechenzentrums im Auge behalten – die Standortkriterien für sichere und hochsichere Rechenzentren.

"Hier macht das BSI (und auch andere Zertifizierer) umfangreiche Vorgaben, welche Risiken zu meiden sind beziehungsweise, welche sogar zu einem Ausschluss eines Standorts führen können. Risikoarme Standorte sind in der Regel isoliert und bieten daher wenig Potenzial für Abwärmenutzung. Dies führt zu einer gewissen Ambivalenz zwischen dem originären Ziel von Rechenzentren und den neuen Vorgaben der Abwärmenutzung," sagt Engler. Ein sicherer Standort in der Prärie wird somit seine Abwärme nicht los.

Die Effizienz der Serversysteme, der Storage Systeme und die Effizienz der Software würden Engler zufolge nicht berücksichtigt, beeinflussen aber maßgeblich wie viel Strom in Rechenzentren verbraucht wird. Zwar sei die Erfassung von Auslastungskurven der CPUs drin, es gebe Knopf zufolge daran allerdings keine detaillierten Vorgaben. Laut Hintemann sei das schwer zu regulieren. Zudem würde es viele RZ-Betreiber und IT-Betreiber geben, die gar nicht dokumentieren wollen, wie viel Energie die Server für die Dienste verbrauchen.

Dass künftig Dokumentationspflichten für Rechenzentrumsbetreiber bestehen sollen, mit der neben PUE-Werten auch weitere Faktoren wie die "technischen Merkmale von IT-Geräten, mechanischen und elektronischen Geräten sowie Abwärmerückgewinnungssystemen" öffentlich gemacht werden sollen, könnte laut Branchenverband Bitkom nicht unbedenklich sein. Damit werde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die Cybersicherheit – vor allem für Rechenzentren, die als kritische Infrastruktur gelten – gefährdet. Gebäude- und Infrastrukturdaten wie Rackstellfläche, Anzahl der Racks und weitere Kriterien seien keine direkten Indikatoren für Energieeffizienz und sollten freiwillig sein, schreibt der Bitkom in seiner Stellungnahme. Allenfalls sollten die Daten "pseudonymisiert für einen gewissen geografischen Bereich dargestellt werden".

Der Zeitplan der Bundesregierung ist sehr ambitioniert. Gerade im öffentlichen Bereich würden RZ-Projekte vom Entwurf bis zum fertigen Rechenzentrum teils bis zu zehn Jahre benötigen, sagt Matthias Engler vom Rechenzentrumsanbieter Akquinet. Deswegen würden gerade Standorte "aus der öffentlichen Hand" am Energieeffizienzgesetz vorbeilaufen, da die Planungs- und Bauprozesse so weit fortgeschritten sind, dass sie die neuen Anforderungen gar nicht mehr in den Prozess mit einbeziehen können. Gemessen an den Projektlaufzeiten im öffentlichen Bereich sei das Gesetzesvorhaben sehr ambitioniert.

Ein paar Punkte seien laut Hintemann sicher schwierig, aber durch Ausnahmen umsetzbar. Standorte sollten so ausgesucht werden, dass sie ans Wärmenetz angeschlossen werden können, aber es ist nicht mehr Problem der RZ-Betreiber, wenn die Wärme dann niemand nimmt. An ein paar Punkten müsste das Gesetz nochmal diskutiert werden: Rechenzentrumsbetreiber können nicht alle im Energieeffizienzgesetz geforderten Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen, darum sollte besser bewertet werden, welche Aspekte der Nachhaltigkeit schon erfüllt sind und ob weniger effiziente Punkte ausgeglichen können werden, beispielsweise wie beim TÜV-Zertifikat. Das Gesetz sollte lediglich Mindeststandards vorschreiben, zum Beispiel der PUE-Wert und dass Abwärme grundsätzlich zur Verfügung gestellt werden soll. Mehr sollte nicht im Gesetz drinstehen. Außerdem mache man die Welt nicht damit grün, RZ-Betreibern vorzuschreiben, Ökostrom zu nutzen. Eigentlich müssten Anreize gesetzt werden.

Kritisch bewertet wird auch die Ökostromvorgabe im Gesetzestext, die vorschreibt, dass Rechenzentren ab 2024 mit 50 Prozent erneuerbaren Energien versorgt und ab 2027 vollständig mit Ökostrom versorgt werden. Die meisten Rechenzentren sind alle an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Es gebe allerdings keine Möglichkeiten, herauszufiltern, welche Stromart welchen Anteil hat. Wer an das deutsche Stromnetz angeschlossen ist, erhalte Reveman zufolge den deutschen Strommix, in den zu einem großen Teil Braunkohlestrom einfließt. Mit der Ökostromvorgabe werde Greenwashing vorgeschrieben. "Wir können nicht Kohle verbrennen und behaupten, der Strom sei grün", sagt Reveman. "Wir lügen uns schön". Laut ihm sei das Energieeffizienzgesetz von Menschen geschrieben, die kaum ihre eigene Stromrechnung verstehen.

Insgesamt seien die Ambitionen des Energieeffizienzgesetzes nach Ansicht der Experten gut und richtig, jedoch würden die Betreiber vor mittelschwere bis große Probleme gestellt. Es müssen verschiedene Punkte in die Bewertung der Energieeffizienz der Rechenzentren einfließen. Bei der Bewertung der einzelnen Komponenten könnte beispielsweise das Sustainable-Data-Center-Zertifikat helfen, das Rechenzentren in Energieeffizienzklassen von A bis G einteilt. Das Zertifikat hatte High Knowledge zusammen mit dem TÜV Rheinland entwickelt, die sich auf emissionsfreie und modulare Rechenzentren spezialisiert haben.

Was ebenfalls noch nicht zusammenpassen würde, ist Matthias Engler vom Rechenzentrumsanbieter Akquinet zufolge, dass deutsche Fernwärmenetze auf einem sehr hohen Temperaturniveau seien, während die Abwärme bei Standard-Rechenzentren – nicht im HPC-Bereich – sehr niedrig ist. Bisher sei ungeklärt, ob Rechenzentrumsbetreiber ihre Wärme dann verdichten müssen oder ob sich der Wärmenetzbetreiber um das Problem kümmern muss. Als Rechenzentrumsbetreiber hätte Akquinet oft versucht, seine Wärme kostenlos abzugeben, aber diese wollte keiner haben. Interesse mit Industrien zusammenzuarbeiten, die einen konstanten Wärmebedarf über das Jahr haben, bestehe. Bisher nutzt Akquinet einen Teil seiner Abwärme für die Beheizung eines direkt angeschlossenen Bürogebäudes und für eine angebundenen Turnhalle. Allerdings ist dies nur in den kalten Monaten möglich und auch nur für einen Teil der erzeugten Abwärme.

Die Abwärme könnte Hintemann zufolge im Sommer beispielsweise bei der Algenzucht eingesetzt oder mittels Absorptionskältemaschine sogar zum Kühlen. "Wir müssen uns davon verabschieden, alles perfekt zu lösen, besser etwas Abwärme nutzen als gar keine. Was machbar ist, machen". Bei bereits vorhandenen Rechenzentren sei es zudem oft so, dass die Wärmenetzbetreiber – die bereits in die Wärmenetze investiert haben – dort schon etabliert sind, entsprechende Kraftwerke gebaut und dementsprechend wenig Interesse an weiterer Abwärme haben, so Engler. Kritisch sei es, dass zwar die RZ-Betreiber verpflichtet werden, es auf der anderen Seite allerdings keine Abnehmer gibt. Das sei wichtig, damit das Gesetz kein Papiertiger bleibe. Unklar ist, was passiert, wenn die Wärmenetzbetreiber kein Interesse an der Abwärme weiterer RZ-Betreiber haben.

Ein weiterer kontroverser Punkt ist, dass der Staat versucht festzulegen, bei welcher Temperatur IT-Komponenten gekühlt werden müssen. Diese Temperatur liegt derzeit bei mindestens 27 Grad. Eine höhere Temperatur, mit der die IT-Komponenten gekühlt werden, bedeute den Experten zufolge nicht automatisch eine höhere Energieeffizienz. Das habe viel mit der Architektur der Serverkomponenten zu tun. Diese seien auch laut Bitkom "in vielen Fällen technisch nicht umsetzbar" und würden zudem gegen Verträge mit Bestandskunden verstoßen.

Demnach gebe es nach Angaben von Engler Systeme die bei über 24°C deutlich weniger effizient arbeiten, da die internen Lüfter der Geräte dann versuchen die gestiegenen Temperaturen zu kompensieren. Eine höhere Lufttemperatur sei daher nicht sinnvoll, auch weil diese den zusätzlichen Energieverbrauch im Server erhöhen könnten. "Höhere Eintritts- und Betriebstemperaturen können bei mancher Hardware auch dazu führen, dass diese selbst energieineffizienter betrieben wird", heißt es in der Bitkom-Stellungnahme. Zudem sei unklar, wer das kontrollieren könne. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen am Gesetz noch vorgenommen werden.

Update

Absatz zum Innovationspreis für Rechenzentren und Bitkom-Angabe spezifiziert.

Absatz zu BSI-Vorgaben ergänzt

Redundanten Satz gestrichen

(mack)