Jahrhundertwerk​: 100 Jahre BMW Motorrad, Teil zwei

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Die BMW-Geschäftsführung diskutierte sogar schon darüber, die Motorradsparte ganz aufzugeben, entschied dann aber, ihr noch eine letzte Chance mit einem Vierzylindermotor zu geben, um wieder konkurrenzfähig zu werden. Doch die Entwicklung der K 100 mit liegendem Reihenvierzylinder würde fünf Jahre in Anspruch nehmen, bis dahin musste BMW die Kunden mit irgendeinem interessanten Boxer-Modell bei der Stange halten.

Als der BMW-Fahrwerksentwickler Laszlo Peres davon hörte, erkannte er die Chance. Er hatte zusammen mit Kollegen privat eine geländetaugliche R 80/7 aufgebaut, die trocken nur 124 kg wog und mit der er 1978 Deutscher Vize-Meister geworden war, ein Jahr später holte Richard Schalber auf ihr sogar den Titel in der Klasse über 750 cm3. Die zunächst skeptische Chefetage entschied schließlich, dass unter der Leitung von Rüdiger Gutsche aus dem Prototyp das Serienmotorrad R 80 G/S entwickelt werden sollte. Weil die Zeit knapp war, griffen die Entwickler auf viele vorhandene Komponenten zurück. Der luftgekühlte Zweiventil-Boxer aus der R 80/7 mit 797 cm3 leistete 50 PS und die erleichterte Schwungmasse ermöglichte spontanes Hochdrehen.

Für den Geländeeinsatz rollte sie vorn auf einer 21-Zoll-Felge mit Federwegen von 200 bzw. 170 mm vorn und hinten. Ihr neuer "Monolever" genannter Antrieb mit Kardanwelle, die durch eine Einarmschwinge lief, erwies sich als leichte und wartungsfreundliche Lösung, fahrfertig wog sie 196 kg. Bei der Präsentation 1980 konnten die Pressevertreter die R 80 G/S (für Straße/Gelände) zunächst nicht so recht einordnen, doch nach der ersten Ausfahrt äußerten sich alle begeistert, da sie sowohl auf Asphalt, als auch auf losem Untergrund viel Spaß bereitete. So recht glaubte BMW wohl selbst nicht an einen durchschlagenden Erfolg, denn im ersten Baujahr 1981 begrenzten sie die Produktion der R 80 G/S auf 3000 Stück. Damals war noch nicht abzusehen, dass sie den Grundstein zur erfolgreichsten BMW-Baureihe überhaupt legen sollte.

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Den ersten Vierzylinder seiner Geschichte präsentierte BMW 1984. Die K 100 verfügte über einen längs eingebauten Reihenvierzylindermotor mit 90 PS aus 987 cm3 Hubraum. Der Motor erhielt den Spitznamen "fliegender Ziegelstein". Im Foto ist die K 100 RS mit Verkleidung zu sehen.
(Bild: BMW)

Die R 80 G/S kam zur rechten Zeit, denn Enduros für das große Reiseabenteuer lagen im Trend, was nicht zuletzt an den aufkommenden Wüstenrallyes lag. Doch die R 80 G/S war der erste Zweizylinder und mit entsprechend kräftigem Durchzug, bis dahin beherrschten leichte Einzylinder die Szene. Um die R 80 G/S zu bewerben, nahm BMW mit einem Werksteam im Januar 1981 an der berüchtigten Rallye Paris-Dakar teil. Die vom Spezialisten HPN präparierten Maschinen verfügten über ein verstärktes Fahrwerk, einen modifizierten Rahmen und einen Riesentank. Hubert Auriol siegte auf Anhieb, was den Verkauf der R 80 G/S zusätzlich ankurbelte.

Der Franzose wiederholte zwei Jahre später den Gesamtsieg auf der Boxer-Enduro. 1984 und 1985 sicherte der belgische Motocross-Weltmeister Gaston Rahier BMW den Gewinn der härtesten Rallye der Welt. Zu dem Zeitpunkt hatte sich die R 80 G/S längst zum Verkaufserfolg entwickelt, als Universal-Werkzeug für den Alltag, Geländeeinsatz und die Fernreise zugleich. 1984 brachte BMW mit der R 80 G/S Paris-Dakar eine noch extremere Version mit einer kurzen Solo-Sitzbank, serienmäßigem Gepäckträger und vor allem einem monströsen 32-Liter-Tank, der rund 500 km Reichweite ermöglichte.

Die R 80 G/S trat den Trend der Zweizylinder-Reiseenduro los, der bis heute überaus erfolgreich ist. Als 1988 die Nachfolgerin R 80 GS (jetzt ohne Schrägstrich zwischen G und S) erschien, konnte BMW bereits 21.864 verkaufte R 80 G/S vermelden. Doch das war nur der Anfang, denn im gleichen Jahr wurde die R 100 GS vorgestellt, die über einen Liter Hubraum und 60 PS Leistung verfügte. Sie besaß eine Paralever-Hinterradaufhängung (genau wie die R 80 GS) gegen Lastwechseleinflüsse aufs Fahrwerk. Zudem war ihr Rahmen verstärkt und eine Marzocchi-Gabel mit längeren Federwegen montiert.

Den nächsten Trumpf zog BMW 1983 mit der K 100 aus dem Ärmel. Sie verfügte über einen längs eingebauten Reihenvierzylindermotor mit 90 PS aus 987 cm3 Hubraum, der unter Josef Fritzenwenger entwickelt worden war. Es war nicht nur das erste flüssigkeitsgekühlte Serienmotorrad von BMW sondern auch das erste mit Kraftstoff-Einspritzung der Marke. Der Motor war als tragendes Element in einem unten offenen Brückenrahmen integriert, die Einarmschwinge mit Kardanwelle im Getriebe gelagert. Das neue Modell war in drei Versionen entwickelt worden: als Naked Bike K 100, Sportler K 100 RS mit aerodynamisch ausgefeilter Verkleidung und K 100 RT als Tourer mit einer voluminösen Vollverkleidung. Offensichtlich hatten die BMW-Fans nur auf sie gewartet, denn die K-Baureihe verkaufte sich vom Start weg gut. Ab 1986 gesellte sich noch die kleineren Dreizylinder-K 75 S und -K 75 C mit je 75 PS hinzu, ein Jahr später präsentierte die K 100 LT als Luxustourer.

Mit der aufwendig verkleideten K1 hoffte BMW 1989 die Sportfahrer ansprechen zu können, wurde aber zum Flop. Da die Marke sich weiterhin an die 100-PS-Grenze halten wollte, hatten die Entwickler auf ausgefeilte Aerodynamik gesetzt. Doch die unförmige Optik der K1 traf auf breite Ablehnung. Mit 258 kg war sie außerdem schwer und unhandlich, darüber hinaus auch noch wesentlich teurer als die japanische Konkurrenz. Da half es auch nicht, dass die K1 den ersten Vierventil-Zylinderkopf der Firmengeschichte trug: Nach nur rund 4000 Exemplaren wurde die Produktion eingestellt.

(fpi)