Onlinezugangsgesetz 2.0: Die BundID für alle kommt

Die Bundesregierung will mit dem neuen Onlinezugangsgesetz nun endlich die Digitalisierung von Bürgerdiensten voranbringen. Ob der große Wurf gelingt?

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(Bild: PhotoSGH/Shutterstock.com)

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Von
  • Falk Steiner
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Es soll ein großer Wurf sein: Das Onlinezugangsgesetz 2.0. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von einem "einen weiteren großen Schritt, um unser Land moderner, bürgernäher und digitaler zu machen. Wir wollen das Leben der Menschen leichter machen, wertvolle Zeit sparen, der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten und Behördengänge vermeiden."

Eine Analyse von Falk Steiner

Falk Steiner ist Journalist in Berlin. Er ist als Autor für heise online, Tageszeitungen, Fachnewsletter sowie Magazine tätig und berichtet unter anderem über die Digitalpolitik im Bund und der EU.

So tönte es schon 2016 zum ersten OZG. Warum also sollte diesmal alles gut werden, was vorher nicht klappte? Wurden nicht alle Ziele verfehlt, die sich Bund, Länder und Kommunen bislang gesetzt haben – egal, was im Gesetz stand?

Es gibt gute Gründe, etwas Hoffnung zu hegen – und Zweifel zu pflegen. Denn der OZG-Neuaufguss kommt zwar mit einigen Änderungen daher. Aber warum das OZG 2.0 jetzt das leisten wird, was Version 1 nicht schaffte, konnte am Mittag in Berlin auch die Bundesinnenministerin nicht erklären.

Die wohl folgenreichste Veränderung im OZG 2.0 ist die geplante Pflicht zur Anbindung des derzeit "BundID" genannten Bürgerverwaltungskontos an die Systeme der Länder und Kommunen. Es spricht viel dafür, dass eine einzelne ID sinnvoller ist als 17 unterschiedliche – weshalb der Weg der Konsolidierung hier bereits vor einiger Zeit eingeschlagen wurde und immer mehr Bundesländer ihre Konten auf BundID verschmelzen.

Hinzu kommt, dass die BundID mit den ID-Funktionen des elektronischen Personalausweises verknüpfbar ist. Das ist eine gute Voraussetzung, wenn der Staat sich halbwegs sicher sein muss, dass ein Nutzer auch tatsächlich derjenige ist, der er vorgibt zu sein. Doch die allerwenigsten der Dienstleistungen, mit denen Bürgerinnen und Bürger überhaupt in Kontakt kommen, bietet der Bund selbst an.

Die Nutzung der BundID stieg zwar dank der an sie gekoppelte Auszahlung der Energiepauschale für Studierende und Berufsschüler in diesem Jahr einmalig schnell an, auf immerhin 3,4 Millionen Konten Ende April 2023. Und mit der Umtauschpflicht für Altführerscheine steht eine weitere Dienstleistung an, die Nutzer in die Arme der Bundes-ID-Lösung treiben könnten.

Den meisten Kontakt haben Bürger mit der Verwaltung ihrer Kommunen – von Kinderbetreuung- und Schulanmeldungsverfahren über Wohnsitzänderungen, standesamtliche Sachverhalte bis hin zu Parkausweisen. Und dieses Problem ist auch mit dem OZG 2.0 kaum zu lösen: Ohne dass wirklich alle Ebenen, Bund, Länder, Kommunen und in manchen Ländern übliche Zwischengliederungen sich selbst auf einheitliche Lösungswege verpflichten, droht ein Auseinanderfallen der Verfügbarkeit und der Umsetzung von den großen Zielen.

Geld ist hier, wie schon beim Onlinezugangsgesetz 1.0, ein probates Mittel, um die Länder und Kommunen in die Lage zu versetzen, die Ziele zu erreichen. Doch bislang ist vollkommen unklar, welche Mittel der Bund den Ländern zur Verfügung stellen kann und will – die Haushaltsverhandlungen laufen noch.

Die Bundesinnenministerin sagt: "Wir glauben fest daran, wenn wir hier sehr viel Druck reingeben und uns als Koalition einig sind, das auch zu unterstützen, und das haben wir ja heute beschlossen, dass wir einig sind, das auch aktiv zu unterstützen. Das heißt: ja, auch mit weiterer Finanzierung." Aus dem Berliner Politiksprech übersetzt heißt das: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist derzeit noch nicht bereit, ein festes Budget dafür zuzusagen.

Bei der BundID, bei der über eine Umbenennung nachgedacht wird, weil sie künftig eben auch für die Verwaltungsdienstleistungen anderer Ebenen genutzt werden soll, kommt ein weiteres Problem dazu. Denn tatsächlich ist die Lösung aus E-Perso und NFC-fähigem Smartphone vergleichsweise sicher. Und dass bei ihrer Nutzung das Schriftformerfordernis entfallen soll, also vor allem die händische Unterschrift, ist konsequent.

Doch so richtig komfortabel ist das bislang nicht. Das liegt zum einen an der mäßigen Usability der AusweisApp, die mit dem E-Perso zusammen die Authentifizierung ermöglicht. Zugleich ist hier das Sicherheitsniveau grundsätzlich kritisch zu sehen.

Entscheidend wäre, dass der besonders gesicherte Hardwarebereich eines Smartphones (Secure Element) auch für den E-Perso und dessen digitale Identität geöffnet wird. Außer bei ein paar Samsung-Smartphones wird das auf absehbare Zeit nicht passieren. Im Innenministerium hofft man, dass die EU-Kommission zu Hilfe eilt und insbesondere Apple dazu zwingt, sein Secure Element für Drittanbieter – und dazu zählt hier auch der Bund – zu öffnen.

Doch bislang ist das Zukunftsmusik. Auch Gespräche mit Google haben das BMI bislang nicht näher ans Ziel gebracht. Dass die Nutzung des Secure Elements bei den verbreiteten China-Smartphones womöglich gar nicht erstrebenswert ist, steht dabei auf einem anderen, sicherheitspolitischen Blatt.

Selbst wenn einfache elektronische Identitätsnachweise verfügbar würden, bleibt das Problem der fehlenden Anwendungen. Zwar will der Gesetzgeber jetzt endlich erreichen, dass Einzellösungen aus Kommunen künftig auch in den anderen über 10.000 Kommunen eingesetzt werden können. Doch konnte schon das OZG 1.0 die Interoperabilität der Anwendungen nicht sicherstellen.

Sobald eine Fachanwendung in einem Bundesland aufgrund von Landesvorschriften anders ausgestaltet wird, ist oft das Ende der Fahnenstange erreicht. Der Bund will künftig stärker Standards im Rahmen des OZG vorschreiben dürfen.

Das ist wieder ein richtiger Schritt, doch auch dieser erfolgt nur halbherzig: Das OZG 2.0 will überhaupt erst einmal die zentrale Spezifikation von Standards ermöglichen, die unter anderem die Kommunikation zwischen bereits entwickelte und zukünftiger Software gewährleisten sollen. Zeitpläne sind bislang nicht bekannt. Ein großer Schritt für die Verwaltung, ein zu kleiner aus Nutzerperspektive.

Was das Onlinezugangsgesetz auch nicht mitadressieren kann: die Verwaltungsdigitalisierung als solche. Wie der Name Onlinezugang bereits sagt, handelt es sich bei den Anwendungen nicht um die Durchführung innerhalb der Verwaltung – sondern nur um das Bürgerinterface. Doch mit dem OZG 2.0 wird nicht verhindert, dass digital eingegangene Anträge ausgedruckt, analog veraktet, per Hauspost verschickt und in verschiedenste Hängeregister einsortiert werden.

Dabei wäre genau das wichtig für eine spürbare Entlastung der unter Personalmangel leidenden Verwaltung. Doch das müssen die jeweiligen Ebene weiter weitgehend in Eigenregie angehen – einem falsch verstandenen Föderalismus folgend.

Positiv wäre eigentlich der Schritt zu sehen, dass Verwaltungsdienstleistungen für Unternehmen künftig immer per Onlineverfahren möglich sein sollen. Allerdings ist auch diese Regelung wieder mit Kautelen verbunden: Zum einen soll das ausschließlich dann verbindlich sein, wenn es um Bundesgesetze und auch da ausschließlich das Wirtschaftsrecht geht. Das ist nicht nichts, aber auch bei Weitem nicht "Digital Only", wie es in der Kabinettsfassung heißt.

Und da passt es gut, dass der Bereich, in dem wirklich viele Verwaltungsinteraktionen stattfinden, vorerst einen anderen Weg gehen soll: Bis Mitte 2026 soll die Nutzung von Elster-Zertifikaten auch jenseits der Finanzamtskommunikation möglich bleiben, für Unternehmen die kommenden fünf Jahre.

19 Millionen Elster-Zertifikate sind ausgegeben. Man darf gespannt sein, wie oft diese Fristen noch verlängert werden müssen – denn dass mit dem OZG 2.0 alles gut wird, steht kaum zu erwarten. Die ersten eineinhalb Jahre im Amt hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun schon einmal damit verbracht, die Schritte einzuleiten, die seit Jahren diskutiert wurden.

(vbr)