Rückkehr der Untoten

Manche Ideen entwickeln anscheinend eine frappierende Ähnlichkeit mit den Untoten aus Splatter-Filmen. Je toter sie erscheinen, desto wahrscheinlicher ist ihre Auferstehung.

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Von
  • Jürgen Seeger

Es war beinahe, als seien Ostern und Weihnachten auf einen Tag gefallen. Anfang Dezember 2011 hob der Bundestag ein Gesetz mit den Stimmen aller Fraktionen vorzeitig auf. Schon die Einstimmigkeit war ungewöhnlich, umso mehr der Gegenstand der Abstimmung: Eine Variante staatlicher Überwachung wurde ad acta gelegt. Beerdigt wurde das Zugangserschwerungsgesetz, besser bekannt als Gesetz zu Internetsperren. Das hatte die Vorgängerregierung im Sommer 2009 beschlossen und zunächst bis 2013 befristet.

Die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen hatte Webseiten mit Kinderpornografie zum Anlass für ihre durchaus erfolgreiche Kampagne für eine Sperr-Infrastruktur genommen. Sonderlich innovativ war das nicht. So musste Ende 2001 der Rechtsradikalismus herhalten, um die Bezirksregierung Düsseldorf Internetsperren verhängen zu lassen (siehe „Gut gemeint“, iX-Januar-Editorial 2002).

Solche Sperrverfügungen hat das zuständige Oberverwaltungsgericht 2005 für rechtmäßig erklärt.

Doch erst gegen den Vorstoß von der Leyens gab es massiven Widerstand. Eine Online-Petition unter dem Motto „Löschen statt Sperren“ unterschrieben in kurzer Zeit über 130 000 Menschen, die Ministerin musste sich den Spottnamen „Zensursula“ anhängen lassen.

Neben der bundesweiten Bedeutung mag auch das griffige Motto „Löschen statt Sperren“ für den Erfolg der Kampagne eine Rolle gespielt haben. Und in der Tat ist Löschen nicht nur der effektivere Weg, illegale Inhalte zu bekämpfen, sondern auch weniger nebenwirkungsträchtig als Sperren. Denn von einer wirksamen Sperr- zu einer umfassenden Zensurinfrastruktur ist es nur ein kleiner Schritt.

Aber glücklicherweise ist das ja Schnee von gestern. Und um das Glück perfekt zu machen, hat der Bundesdatenschutzbeauftragte den Hauptschlüssel für die Datenbank des Elektronischen Entgeltnachweises (Elena) weggeworfen und somit ein weiteres Projekt orwellscher Dimensionen beendet.

Doch nun hat der Bundesinnenminister wieder einen Plan. Zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus befürwortet er eine schärfere Kontrolle des Internet. Dafür soll beim Bundeskriminalamt eine eigene Abteilung entstehen, um neue Überwachungstechniken zu entwickeln.

Manche Ideen entwickeln anscheinend eine frappierende Ähnlichkeit mit den Untoten aus Splatter-Filmen. Je toter sie erscheinen, desto wahrscheinlicher ist ihre Auferstehung.

Alle Links: www.ix.de/ix1201003 (js)