Virtualisierung: Alternativen zu VMware

Virtualisierung ohne VMware ist möglich. Wir geben einen unvollständigen Überblick über Alternativen für die klassische Server- und Storage-Virtualisierung.

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Von
  • Ulrich Wolf
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Broadcoms brachiale Produktbereinigung und Lizenzumstellung auf ein reines Abomodell löst bei Anwendern und Serviceprovidern Fluchtreflexe aus. Die mögen in vielen Fällen objektiv gerechtfertigt sein, in anderen vielleicht nicht. Doch verständlich sind sie allemal. Denn VMware hat (oder hatte) eine loyale Anwenderschaft und seinen unbestrittenen festen Platz in den Serverräumen und Rechenzentren, angefangen beim Kleinunternehmen bis zu größeren Providern.

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Dazu kommt ein Partner-Universum aus Resellern, Beratern und Dienstleistern, denen ein variantenreiches – nicht nur Broadcom meint, zu variantenreiches – Portfolio an Haupt- und Unterprodukten in diversen Lizenzierungsoptionen zur Verfügung stand. Das ist Vergangenheit.

"Two sizes fit all" heißt die neue Parole – und wenn Broadcom eines nicht will, dann sind es viele kleine Partner, die ihren vielen kleinen Kunden genau das verkaufen, was sie gerade benötigen. Wer also groß genug ist, dass er all die Produkte wirklich braucht, die VMware in die beiden einzigen Abo-Produkte VMware vSphere Foundation und VMware Cloud Foundation packt, kann in der Summe sogar billiger davonkommen. Wer vor allem komfortabel virtuelle Server verwalten will, vielleicht sogar Hunderte oder Tausende davon, den trifft es mit Wucht.

Ein Geschäftsführer eines mittelständischen Providers rechnete uns vor, dass er in seinem Anwendungsfall monatlich das Zehnfache wie vorher an VMware überweisen muss – falls die neuen Lizenzbedingungen sein Geschäftsmodell überhaupt noch erlauben. In vielen Beiträgen im iX-Forum berichten geschockte Anwender glaubhaft von ähnlichen Steigerungsraten.

Doch was sind die Alternativen? Ob es überhaupt sinnvolle gibt, und wenn ja, welche, hängt in erster Linie davon ab, wofür man VMware-Produkte einsetzt: Klassische Virtualisierung, Storage-Virtualisierung oder Hyperconverged Infrastructure (HCI) und Software-defined Networking dürften on Premises die häufigsten Anwendungsszenarien sein. In Produkte übersetzt heißt das: vSphere und vCenter sowie vSAN und NSX mit diversen Add-ons. Obendrauf kommt eventuell noch die Aria-Produktfamilie – je nachdem wie man zu Monitoring und Automatisierung nach VMware-Geschmack steht oder ob man Hybrid- und Multi-Cloud-Ansätze fährt.

Für spezielle VMware-Features wie Virtual Volumes (VVol) oder API VVAI im Storage-Bereich, das Distributed Resource Sceduling (DRS) oder komfortable Mikrosegmentierung des Netzwerks per NSX dürfte sich nur schwer direkter Ersatz finden lassen. Hier sind besonders kritische Evaluierungen nötig.

Über die reinen Anforderungen hinaus ist wichtig, welches Know-how die Administratoren haben oder bereit sind sich anzueignen und wie überhaupt die langfristige IT-Strategie im Unternehmen aussieht, also ob man, solange es geht, bei VMs bleibt, einen Umzug in die Cloud plant oder sogar Containerisierung und Automatisierung in Eigenregie in Erwägung zieht.

Bei der klassischen Servervirtualisierung hält Microsoft den Migrationsdruck auf bestehende VMware-Anwender seit Jahren hoch, indem es Hyper-V als Dreingabe zum Windows Server quasi verschenkt. Und in der Tat, wer ohnehin ausschließlich Windows-VMs betreibt und kein Problem damit hat, auch den Host mit Windows Server 2022 auszustatten, wird in den allermeisten Fällen deutlich Kosten sparen und die Komplexität seines Set-ups reduzieren.

Ob Microsofts Großzügigkeit anhält, wenn es im Windows-dominierten KMU-Umfeld alle Hyper-V-Alternativen verdrängt hat, steht noch einmal auf einem anderen Blatt. Anzuraten ist in jedem Fall eine eingehende Auseinandersetzung mit den Lizenzbedingungen der verschiedenen Windows-Server-Varianten von Essentials bis Datacenter, denn Microsoft schreibt sehr genau vor, wie viele Windows-VMs jeweils erlaubt sind.

Ganz ohne Kleinklein im Lizenzmanagement geht es mit Linux als Host, das in jeder Ausprägung mit KVM (Kernel Virtual Machine) und QEMU eine Hypervisor-Vollausstattung mitbringt – technisch mindestens auf Augenhöhe mit den proprietären Mitbewerbern und seit Jahren stabil. Doch das ist weniger als die halbe Miete, denn VMware-Anwender sind durch ausgefeilte Managementumgebungen verwöhnt. Hier schafft die Open-Source-Software Proxmox VE zumindest etwas Abhilfe. Die Virtualisierungsplattform stellt eine Oberfläche zur Verwaltung von KVM-basierten Hosts und darauf laufenden virtuellen Maschinen zur Verfügung, Storage- und Netzwerkvirtualisierung erledigt sie gleich mit. Auch Containerverwaltung in bescheidenem Umfang ist möglich, solange man nicht auf Docker angewiesen ist. Was Proxmox kann und wie Migrationsstrategien im Detail aussehen könnten, zeigen die nächsten beiden Artikel.

Echte Alternativen zu Proxmox im Linux-Umfeld gibt es für kleinere Unternehmen kaum. Die Red Hat Virtualization (RHV) ist als eigenständiges Produkt eingestampft. Red Hat hat dessen Funktionen in OpenShift integriert, sieht sie aber dort eher als Vehikel, seine Kunden in die Containerisierung zu führen. Auch bei SUSE spielen Container strategisch die erste Geige, obwohl der SUSE Linux Enterprise Server selbstverständlich Virtualisierung kann und der SUSE Manager grundlegende Verwaltungsfunktionen zur Verfügung stellt.

Das von SUSE nach der Übernahme von Rancher gestartete Harvester-Projekt ist noch recht jung und ehrgeizig. Harvester benutzt Kubernetes und Kubevirt, um Virtualisierungshosts, virtuelle Maschinen und Storage zusammen mit Containern zu verwalten. SUSE bezeichnet das als Cloud-native hyperkonvergente Infrastruktur. Das Ziel sind große, automatisiert per GitOps verwaltete HCI-Cluster, derzeit vorrangig für virtuelle Maschinen, die selbst Kubernetes-Cluster beheimaten. Das Interface für die alltägliche Administration ist einfach gehalten, die darunterliegende Technik jedoch hochkomplex und von zahlreichen Open-Source-Projekten abhängig, die oft eine hohe Entwicklungsgeschwindigkeit haben.

Der Oracle Virtualization Manager (OLVM) teilt mit der einstigen Red-Hat-Virtualisierung die technische Basis aus oVirt und dem etwas umstrittenen GlusterFS. Trotz Red Hats Abkündigung führt Oracle das Produkt fort, die letzte Version erschien im Dezember 2023. Wer genügend Oracle-Affinität besitzt, kann es durchaus in die engere Wahl ziehen – jedoch ist derzeit schwer abschätzbar, ob Oracle ohne Red Hats Vorarbeiten langfristig in die Weiterentwicklung investiert.

Bei den Anbietern mit eigenem Hypervisor bringt sich vor allem Nutanix in Stellung. Ursprünglich auf Hyperkonvergenz spezialisiert, positioniert sich das Unternehmen als Ermöglicher hybrider Infrastrukturen aus HCI vor Ort, gepaart mit Multi-Cloud-Ansätzen. Dafür hat es die passenden, aufeinander abgestimmten Produkte, die zum Teil Eins-zu-eins-Pendants des VMware-Portfolios sind: Prism ersetzt vCenter, der Nutanix Cloud Manager die Aria-Familie, AOS Storage die Speichervirtualisierung vSAN und so weiter.

Nutanix ist kein Billiganbieter. Seine Lizenzmodelle sind aber etwas transparenter als die bisherigen VMware-Lizenzierungen, mit ihnen kann man die bevorstehenden Kosten einigermaßen realistisch schätzen. Wer eine Umgebung sucht, die noch am ehesten an den komfortablen goldenen VMware-Käfig erinnert, aber offener in Richtung Cloud ist, wird bei Nutanix vielleicht fündig.

Wenn die Virtualisierungskosten über den Kopf wachsen und die Scheidung von VMware ohnehin beschlossene Sache ist, mag der Gedanke verführerisch sein, Nägel mit Köpfen zu machen und in die Containerwelt zu wechseln. Doch mit Kubernetes holt man sich ein Komplexitätsmonster ins Haus, dessen Zähmung die meisten gestandenen VMware-Admins zunächst überfordern dürfte. Wer selbst Software entwickelt und bereitstellt, und sei es nur intern, kann langfristig von der gewonnenen Flexibilität und Automatisierbarkeit profitieren.

Aber auch in solchen Unternehmen dürften immer ein paar Monolithen übrig bleiben, die in VMs besser aufgehoben sind. Dann lohnt es sich, in Richtung Kubevirt zu schauen und die darauf aufsetzenden Frameworks wie OpenShift oder Harvester zu evaluieren.

Weniger softwaregetriebene Organisationen sollten die Vor- und Nachteile einer Containerinfrastruktur für ihre individuellen Einsatzzwecke genau herausarbeiten und die Entscheidung dafür oder dagegen langfristig treffen – und vor allem unabhängig davon, ob und wie sie VMware kurz- oder mittelfristig als Virtualisierungsplattform ablösen.

Auch nach dem großen Aufräumen von Broadcom kann es für VMware-Anwender sinnvoll sein, bei diesem Anbieter zu bleiben, nämlich dann, wenn die Kostensteigerungen moderat ausfallen oder wenn absehbar ist, dass eine Migration riskant oder teuer werden könnte. Auch harte technische Anforderungen insbesondere bei Speicher- und Netzwerkvirtualisierung können Gründe liefern, auf den Abschied von VMware zu verzichten – falls sich nicht einer der zahlreichen Drittanbieter von Software-defined Storage findet, der sie erfüllt.

Das unmittelbare finanzielle Risiko zumindest und auch die Gefahren eines Vendor Lock-in sind bei einer Migration zu einer Open-Source-Lösung am geringsten. Die Bereitschaft, das entsprechende Know-how dafür einzukaufen oder aufzubauen, muss aber vorhanden sein. Proxmox VE stellt in dieser Hinsicht vermutlich noch die geringsten Anforderungen. Für welchen Anbieter man sich am Ende auch entscheidet, umgewöhnen müssen sich Administratoren so oder so. Denn alle Alternativen haben einen entscheidenden Nachteil: Sie sind nicht VMware.

Hinweis in eigener Sache: Unser Live-Webinar Umbau bei VMware: Strategien und Alternativen für Nutzer zeigt die Optionen von VMware-Kunden auf und gibt einen Überblick über Alternativen zu vSphere, vSAN, NSX und den Security-Produkten, der Aria Suite, Horizon und Tanzu.

Auswahl von Virtualisierungsplattformen
Anbieter Produkte Verwendungszweck technische Basis
Proxmox Solutions GmbH Proxmox VE Server-, Storage- und Netwerkvirtualisierung, HCI Linux, KVM/QEMU, ZFS, Ceph
Microsoft Windows Server 2022 mit Hyper-V, Azure Stack HCI Server-, Storage- und Netwerkvirtualisierung, HCI Hyper-V
Red Hat OpenShift Virtualization Integration von VMs in Containerumgebungen Linux, KVM/QEMU, Kubernetes
Oracle Oracle Virtualization Manager Servervirtualisierung Linux, KVM/QEMU, oVirt
SUSE Harvester Cloud-native HCI, Integration in Containerumgebungen Linux, KVM/QEMU, Kubernetes, Ranger
Nutanix Produkte der Nutanix-Cloud-Plattform Server- und Storage-Virtualisierung, HCI, hybride Infrastruktur, Cloud-Integration AHV (Acropolis Hypervisor), Acropolis OS

(ulw)