Kommentar: Schwere Autos am Pranger

Paris will schwere Autos mit höheren Parkgebühren belegen. Doch es bleiben Fragen offen, die eine Umsetzung durchaus spannend machen, meint Martin Franz.

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BMW iX1

Das Elektroauto BMW iX1 reißt in Paris mit seinem Leergewicht von 2085 kg die Gewichtsgrenze für Elektroautos. Das gleiche Modell als BMW X1 mit den identischen Abmessungen bleibt dank Verbrenner mit 1575 kg unter dem Limit für einen erhöhten Parktarif. Ein intelligentes Verkehrskonzept wäre hier klar von Vorteil.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Lesezeit: 5 Min.
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Nun ist es also vollbracht: In Paris sollen Besitzer von schweren Autos mehr Parkgebühren bezahlen. Ab wann ein Fahrzeug nicht mehr ins Raster passt, wird über das Gewicht festgelegt: Modelle mit Hybridantrieb oder Verbrenner sollen ab 1,6 Tonnen mehr zahlen, Fahrzeuge mit E-Antrieb ab 2 Tonnen. Ausnahmen sollen für zahlreiche Gruppen geben, unter anderem für Anwohner und Handwerker. Ist damit alles geklärt? Keineswegs, die Probleme bei der Umsetzung fangen erst an.

"Die Pariser sind die Avantgarde einer Bewegung, viele Städte werden sicher nachziehen", jubelt die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Jürgen Resch, Geschäftsführer der deutschen Umwelthilfe, setzt noch einen drauf: "55 Prozent der Pariser Bürgerinnen und Bürger haben sich für lebenswerte Städte mit deutlich weniger Monster-SUV entschieden."

E-SUVs im Test

Beides ist eine recht freizügige Interpretation des Ergebnisses dieser Umfrage. Rund 1,3 Millionen Menschen wurden zur Abstimmung gerufen, nur sechs Prozent von ihnen folgten. Von denen hat dann etwas mehr als die Hälfte den geplanten höheren Gebühren zugestimmt. Wie jene, denen das Thema nicht wichtig genug war, um von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, tatsächlich darüber denken, wissen wir nicht. Aus den rund drei Prozent der Wahlberechtigten, die sich sicher für teureres SUV-Parken ausgesprochen haben, eine Bewegung zu schlussfolgern, finde ich kühn.

Um die Dringlichkeit des Themas zu veranschaulichen, werden Beiträge mit tatsächlichen Brocken bebildert. Das verschiebt möglicherweise ein wenig die Wahrnehmung, welche Autos in diesem Fall betroffen wären, wenn die Politik aus dieser Abstimmung eine Handlungsanweisung formuliert. Und es zeigt das ganz Dilemma, wenn man willkürliche Gewichtsgrenzen zieht, um beispielsweise SUVs auszugrenzen.

Geht es um den Raum, den einiger dieser Fahrzeuge beanspruchen? Ein Mazda CX-5 (Test) wiegt im Einzelfall weniger als 1,6 Tonnen und beansprucht mehr Fläche als ein Mazda MX-30 PHEV (Test), für den die erhöhten Gebühren anfallen. Solche Beispiele gibt es bei einigen Herstellern. Größe und Gewicht hängen nicht unmittelbar zusammen. Gefragt sind bei den Interessenten mehrheitlich übrigens Modelle, die zwischen 4,2 und 4,5 m lang sind. Ein VW Tiguan belegt nicht viel mehr Platz als ein Opel Astra, steht aber am Pranger. Oder geht es um eine bessere Luftqualität in Paris? Die dürfte durch ein Tesla Model Y lokal weniger stark belastet werden als durch einen knuffigen Renault R5 aus den 1980er-Jahren.

Schaut man sich zudem die geplanten Regelungen an, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es eher um einen Kulturkampf zu gehen scheint als um eine tatsächliche Wende im Verkehr. Anwohner sind von der Verschärfung ausgenommen, und privaten Parkplatzbetreibern kann die Stadt auch nicht so ohne Weiteres eine Gebührenerhöhung vorschreiben. Wer die erhöhten Parkkosten nicht tragen mag, meidet eben städtisch betriebene Nischen und steuert ein Parkhaus eines privaten Betreibers an.

Unsicher erscheint mir auch, ob eine einseitige Belastung von Nicht-Anwohnern einer juristischen Prüfung standhält. Die deutsche Idee einer Pkw-Maut, die unterm Strich nur Ausländer zahlen, ist jedenfalls unter anderem daran gescheitert. Nicht ganz trivial wird zudem die korrekte Erfassung der Sünder. Denn dafür muss zu jedem Kennzeichen das individuelle Fahrzeuggewicht in einer Datenbank hinterlegt sein und abgeglichen werden. Einige Modelle liegen in Basisausstattung unter der Grenze, überschritten sie aber in üppiger Vollausstattung.

Mit der Dämonisierung von SUVs lässt sich wunderbar Aufmerksamkeit generieren. Verbote und Verteuerungen auszusprechen, ist wesentlich einfacher als die Verkehrswende pragmatisch voranzutreiben. Dazu würde zuvorderst ein besserer ÖPNV gehören. Der müsste vielerorts dichter getaktet, zuverlässiger, zu allen Tageszeiten sicherer und auch bequemer nutzbar werden. Das alles erfordert allerdings Geld und ein jahrelanges Engagement, das sich kaum öffentlichkeitswirksam ausschlachten lässt. Schlussendlich hätten davon aber alle mehr.

Maßnahmen zur Verringerung und Verteuerung von Parkflächen sollten immer im Zusammenspiel einem urbanen Verkehrskonzept umgesetzt werden, in dem ausreichende Alternativen zum eigenen Auto enthalten sind, wirbt etwa BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. Damit beweist er mehr Weitblick als andere in dieser Debatte: Es braucht eine praktikable, nutzbare und akzeptierte Alternative zum eigenen Auto. Wer mit einem guten Angebot überzeugt, hat viel größere Chancen auf eine gesellschaftliche Akzeptanz als jene, die das Auto aus der Stadt haben wollen, ohne sich Gedanken zu machen, wie die Verkehrslast im Anschluss verteilt werden soll.

(mfz)