Scheidender Cisco-Chef John Chambers: Ruhiger Mann mit offenem Visier

Der Rücktritt von Cisco-CEO John T. Chambers war von langer Hand vorbereitet. Bereits im Herbst 2012 hatte er seine Absicht, sich in zwei bis vier Jahren zurückziehen, öffentlich gemacht. Eine Würdigung.

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Cisco CEO John Chambers

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Im Januar 1991, dem Jahr nach Ciscos Börsengang, trat Chambers in die Dienste Ciscos. Der damals 41-Jährige war zunächst Senior Vice Präsident und ab 1995 Konzernchef (CEO). Unter seiner Ägide wuchs die Netzwerkfirma von vergleichsweise bescheidenen 70 Millionen US-Dollar Jahresumsatz zum internationalen Milliardenkonzern. 2014 setzte Cisco 47 Milliarden US-Dollar um.

Chambers, bald 66 Jahre alt, predigt die fortlaufende Erneuerung Ciscos.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Zum Höhepunkt der Dotcom-Blase war Cisco sogar kurz das wertvollste Unternehmen der Welt. Von den damals rund 500 Milliarden Dollar Börsenwert sind immerhin 145 Milliarden geblieben. Einige andere damalige Börsenstars müssen ein anderes Lied singen.

Nach der Blase baute Chambers seine Firma um. Statt von oben gemanagt zu werden, sollen seither neue Ideen und Projekte von unten, aus den verschiedenen Konzernteilen, kommen. Und das möglichst flott. Außerdem investiert Cisco in Startups und kauft auch fleißig Unternehmen zu. Im laufenden Jahrzehnt kündigte er allerdings mehr als 20.000 Mitarbeitern.

Abgesehen von seinem langjährigen wirtschaftlichen Erfolg zeichnet Chambers seine direkte Art aus. Er scheut offene Worte und freie Rede nicht, sei es gegenüber Investoren, Mitarbeitern oder Journalisten. Selbst wenn er weiß, dass sein Gegenüber die Aussagen nicht schätzen wird. Und auch Selbstkritik ist ihm nicht fremd. Während man starkes Selbstbewusstsein bei Konzernchefs nicht lange suchen muss, ist solche Selbstsicherheit selten.

Beispielsweise sagte er der IT-Branche vergangenes Jahr "brutale, brutale Konsolidierung" voraus. Von den fünf größten Unternehmen würden in fünf Jahren nur noch zwei oder drei von Bedeutung sein: "Und es ist nicht garantiert, dass Cisco eines davon ist." Das hat Chambers wahrscheinlich bei Wang Laboratories, seinem vorletzten Arbeitgeber, gelernt.

Investoren vernehmen solche Hiobsbotschaften ungern. Gleichzeitig wissen sie aber die Offenheit zu schätzen. Unter den zahlreichen Ehrungen, die Chambers erhalten hat, findet sich gleich drei mal die Auszeichnung des Investor Relations Magazins für die "Best Investor Relations by a CEO” (etwa: Beste Beziehungsarbeit eines CEO mit Investoren).

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Auf die enthüllte NSA-Sabotage reagierte Chambers offensiv: "Wir müssen die Nummer 1 bei Sicherheit werden!", rief er Mitarbeitern wie Kunden zu. Und er beschwerte sich brieflich bei US-Präsident Obama: "Wir können so nicht arbeiten." Chambers wusste, dass die Enthüllungen das Vertrauen in Cisco untergraben und dem Geschäft schaden.

Doch er verhehlte auch die eigenen Verstrickungen nicht: "Die NSA sind gute Leute. (Sie) sind ein guter Kunde von uns." Auch mit der Zensur in der Volksrepublik China macht Cisco Geld. Zunächst hatte das Unternehmen behauptet, seine Geräte genauso an die chinesischen Behörden zu liefern, wie an alle anderen auch. Doch dann sickerte ein internes Dokument durch, indem Chinas "Große Firewall" als tolle Vertriebschance dargestellt wurde.

20 Jahre stand Chambers an der Spitze Ciscos.

(Bild: Cisco)

Da ist es doch besser, die NSA-Beziehungen selbst anzusprechen. Auf die Frage, ob seine Loyalität bei der US-Regierung oder seinen Kunden liege, antwortete Chambers vergangenes Jahr übrigens so: "Darauf gibt es keine Antwort. Cisco wird zu allererst ein globales (Unternehmen) sein. Chinesisch in China, deutsch in Deutschland." Immerhin weiß man, woran man ist.

Gegen die Sabotage des Internet durch Geheimdienste wünscht sich Chambers übrigens eine internationale Übereinkunft: "Wir brauchen Verkehrsregeln, wo zwischen den Ländern vereinbart wird, dass wir nicht in die Lieferkette hineinpfuschen", sagte er im Mai 2014. Eine liebe Idee, mit einem noch naiveren Umsetzungsplan: Gerade US-Präsident Obama sollte die Initiative dafür setzen: "Und ich glaube, dass er das tun wird."

Nach Chambers politischer Orientierung muss man gar nicht erst fragen. "Ich bin Republikaner!", lässt er, öffentlich und von sich aus, keine Zweifel. Im Laufe der Jahre dürfte er Millionen für Wahlkämpfe gespendet haben, manchmal sogar ein bisschen an Demokraten. Unter Bill Clinton sowie unter George W. Bush arbeitete er in Regierungsgremien mit.

Im Präsidentschaftswahlkampf 2008 war er dann einer der Vorsitzenden der Kampagnenorganisation von John McCain. Trotzdem findet Chambers öffentlich lobende Worte für Obama. Für seine Führung in Sicherheitsfragen, etwa. Chambers unterstützt die IT-Industrie in Palästina und lobt die Einwanderungspolitik Kanadas. Auch solche Gesichtspunkte sind in republikanischen Kreisen alles andere als selbstverständlich. Sein Pragmatismus hat ihn auch dazu bewogen, den Abschiedstermin selbst zu wählen. (ds)