iX 10/2018
S. 146
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Tastaturen für jeden Zweck

Schreibhilfen

Ob man lieber mit dem rechten oder dem linken Daumen schreibt, lieber Linien malt oder mit dem Finger tippt – für fast jede Vorliebe gibt es die richtige Tastatur.

Entscheidungskriterien bei der Anschaffung eines neuen Handys oder Tablets sind heute meist die Größe des Bildschirms, der verfügbare Speicher oder die Anzahl der CPU-Kerne. Daneben spielen der Hersteller und das Betriebssystem des Mobilgeräts eine Rolle. Da die meisten Geräte dieser Kategorie einen Touchscreen haben, macht sich kaum jemand Gedanken über die integrierte Tastatur.

Vor einigen Jahren war das noch anders. Vor dem ersten iPhone gab es Handys und die sogenannten PDAs. Erstere hatten in der Regel eine für Telefone typische Tastatur mit zehn bis 15 Tasten, PDAs kamen entweder mit Touchscreen und Stift oder einer kleinen eingebauten Hardwaretastatur. Auch das BlackBerry-Ökosystem soll hier nicht unerwähnt bleiben. Dessen PDAs hatten fast alle eine ins Gerät integrierte Tastatur.

Heute basieren die meisten erhältlichen Geräte auf Android oder iOS und haben eine virtuelle Bildschirmtastatur. Natürlich kann man Mobilgeräte relativ problemlos mit externen Tastaturen verbinden, sei es mithilfe von USB-Kabeln, proprietären Steckverbindungen oder über Bluetooth. Um sie soll es im Folgenden jedoch nicht gehen, sondern um Tastatur-Apps für iOS und Android.

Von der Hardware zum Virtuellen

Die ersten Versionen von Android-Geräten besaßen noch eine Hardwaretastatur. Mit Version 1.5 bekam Android Unterstützung für virtuelle Tastaturen. Es dauerte allerdings bis zum Jahr 2012 und der Veröffentlichung von Android 4.1, bevor die Hersteller Tastaturen von Drittanbietern zugelassen haben. iOS-Geräte besaßen niemals eine Hardwaretastatur, und Apple erlaubt virtuelle Tastatur-Apps von Drittanbietern seit der Version 8 von iOS.

Warum aber soll man die vom Betriebssystem mitgelieferten Tastaturen überhaupt durch Apps von Drittanbietern ersetzen? Wie groß können die Unterschiede zwischen Tastaturen schon sein? Eine Tastatur soll den Schreibprozess unterstützen, muss daher schnell reagieren und darf nicht dem Fingeranschlag hinterherhinken. Die Tastatur soll akkurate Trefferzonen haben, aber gleichzeitig so fehlertolerant sein, dass man selbst auf kleinen Bildschirmen problemlos schreiben kann.

Für Nutzer mehrerer Sprachen müssen landesspezifische Varianten einfach zugänglich sein. Gleiches gilt für Emoji-Tastaturen oder solche, die mit Stickern oder anderen grafischen Elementen wie animierten GIFs belegt sind. Vielleicht möchte man auch für bestimmte Anwendungsfelder spezialisierte Tastaturen nutzen können, ähnlich den aus Ziffern gebildeten Tastaturen in Telefon-Apps. All das und einiges mehr bieten spezifische Apps.

Malen statt anschlagen

Gleichzeitig muss man sich vergegenwärtigen, dass Tastaturen von Drittanbietern potenzielle Sicherheitslücken mit sich bringen können. Die Texteingabefunktion befindet sich an zentralen Stellen eines Systems und könnte abhängig von gewünschten Features Daten an den Drittanbieter übertragen. Nicht immer ist es einfach zu verstehen, welche Daten die App weiterreicht und wo sie die Daten verarbeitet und gegebenenfalls speichert.

Eine der besten Tastaturen sowohl für Android als auch für iOS ist Googles kostenloses „Gboard“. Die App war früher als „Google Keyboard“ bekannt und wurde 2016 plattformübergreifend in das Gboard-Branding überführt. Gboard hat eine Vielzahl nützlicher Features, die man in den Standardtastaturen nicht findet.

Diese beginnen mit der Option, Text mithilfe einer zeichnerischen Geste einzugeben. Anstatt jede Taste einzeln anschlagen zu müssen, malt man mit dem Finger eine durchgehende Linie zu allen gewünschten Zeichen. Selbst wenn man während dieses Prozesses nicht jedes Zeichen trifft, interpretiert Gboard die Eingabe anhand seines Lexikons in Kombination mit KI-basierten Vorschlägen nahezu immer korrekt. Mit etwas Übung ist diese Art der Eingabe deutlich schneller und bequemer als das übliche Schreiben auf einer virtuellen Tastatur.

Die Space-Taste kann mehr als nur ein Leerzeichen erzeugen, sie dient gleichzeitig als Mini-Trackpad. Bewegt man den Finger auf der Taste nach links und rechts, steuert diese Bewegung die Cursorposition. In der Regel ist das ein schnellerer und einfacherer Weg, den Cursor zu positionieren, als mit Fingern und Bildschirmlupe die richtige Position im Text zu finden.

Gboard integriert Googles Suchfunktionen und bietet eine Vielzahl von Emojis und Stickern als Teil des Pakets. Darüber hinaus kann man die App thematisch anpassen. Außerdem versteht sie mehrere Sprachen und kennt unterschiedliche Tastaturlayouts. Auf iOS lassen sich mehrere Sprachen gleichzeitig deutlich komfortabler mit Gboard als mit der iOS-Tastatur verwalten. Das Umschalten erfolgt über einen simplen Tastendruck. Gboard verfügt über eine Rechtschreibung für mehrere Sprachen und macht geeignete Korrekturvorschläge auch in gemischtsprachigen Texten.

Auf Android-Modellen ist die App heute in einigen Fällen bereits installiert und als Default-Tastatur eingerichtet. Meist handelt es sich dabei um Nexus- und Pixel-Geräte sowie Handys von OEMs mit eher unverändertem Android – zum Beispiel OnePlus oder Nokia.

Die Installation erfordert ansonsten einen Prozess aus mehreren Schritten. Nach dem Herunterladen der App muss der Anwender sie einmalig ausführen, dann leitet sie ihn in der Regel zu den zugehörigen Einstellungen im mobilen Betriebssystem. iOS warnt als Teil dieses Prozesses deutlich davor, dass man Gboard an dieser Stelle Vollzugriff geben muss. Das liegt allerdings nicht an Gboard, das System fordert dieses Privileg für jede iOS-Tastatur von Drittanbietern.

Auf iOS unterliegen Tastaturen, die nicht von Apple kommen, generell einigen grundlegenden Einschränkungen. Beispielsweise erzwingt iOS die Nutzung der eingebauten Tastatur für die Passworteingabe im App Store oder in der iCloud. Auch kann man von Nicht-Apple-Tastaturen aus die Spracheingabe mit Siri nicht nutzen. Gboard auf iOS bietet allerdings einen einfachen Zugriff auf Googles eigene Spracheingabe.

Wer die Funktionen von Gboard schätzt, dem könnte auch SwiftKey gefallen. Bis 2016 war die App ein unabhängiges Produkt, dann hat Microsoft sie übernommen. Die App funktioniert einwandfrei, und Features wie das Malen von Wörtern, Korrekturvorschläge und Emoji-Unterstützung sind ähnlich wie bei Gboard.

SwiftKey unterstützt die gleichzeitige Nutzung von bis zu fünf Sprachen und erlaubt das Anlegen eines sogenannten SwiftKey-Accounts. Mithilfe dieses Kontos wird durch künstliche Intelligenz die Genauigkeit der Wortvorschläge verbessert und der Anwender kann seine Tastatureinstellungen und den Wortschatz über mehrere Geräte hinweg synchronisieren. Die App ist kostenlos erhältlich und bietet Tastaturthemen als In-App-Käufe an.

Hat man an „malerischen Gesten“ kein Interesse, sondern möchte mit den Fingern tippen und dabei ergänzende Wortvorschläge eingeblendet bekommen, sollte man sich „Minuum“ ansehen. Die Tastatur lässt sich in ihrer Größe anpassen und stellt mit dem Mini Mode eine Variante der Tastatur zur Verfügung, die auf eine Zeile reduziert ist. Ähnlich dem von alten Mobiltelefonen bekannten T9-System sind deren neun Tasten mit mehreren Buchstaben belegt. Die App geht allerdings einen besonderen Weg und versucht, die Tasten nach Nutzungshäufigkeit zu belegen.

Minuum für iPhone ist zum Preis von 4,49 Euro erhältlich. Für Android gibt es eine kostenlose Version, die man 30 Tage lang testen und auf Wunsch per In-App-Kauf zur Vollversion upgraden kann. Alternativ dazu lässt sich die Vollversion direkt erwerben.

In eine ähnliche Kerbe schlägt „Thumbly“ für das iPhone. Die App kostet 2,29 Euro und zeigt eine halbkreisförmige Belegung auf der rechten oder linken Seite des Tastaturfeldes. Die Idee dahinter ist, dass dieses Layout die Bedienung des Gerätes mit dem rechten oder linken Daumen deutlich vereinfacht. Nicht unerwartet zeigt sich beim Ausprobieren der App, dass sie vor allem auf Geräten mit größeren Displays sehr nützlich ist.

Mehr Komfort bei der Arbeit

Natürlich gibt es neben den bisher erwähnten Produktivitätstastaturen auch solche für spezielle Interessen und Anwendungen. „Hacker’s Keyboard“ für Android ist eine Variante, die sich vor allem für Nutzer anbietet, die von ihrem Mobilgerät aus Softwareentwicklung oder Systemadministration betreiben.

Die Tastatur hat Cursortasten und funktionierende Tasten für Tab und Escape. Gerade wenn man sich per ssh auf entfernten Servern einloggt, erweist sich Hacker’s Keyboard als sehr anwenderfreundlich. Die App ist darüber hinaus unter einer Apache-2-Open-Source-Lizenz auf GitHub erhältlich. (ka@ix.de)