iX 5/2018
S. 144
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Von Scrum bis Kanban

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Sprints und das Austeilen von Poker-Karten sind nicht in allen Zusammenhängen Freizeitvergnügen. Agile Softwareentwickler kennen das auch im Arbeitsalltag.

Viele Softwareprojekte folgen einer agilen Methode wie Scrum, Lean, SAFe, Kanban und anderen. Während die agile Entwicklung vor fünfzehn Jahren noch eine Seltenheit war, wird sie heute zum Teil als „Silver Bullet“ propagiert, mit der kein Projekt mehr die Kosten überschreiten oder irgendwie anders fehlschlagen kann. Das ist natürlich nicht richtig, vielmehr hängt die erfolgreiche Nutzung agiler Methoden von diversen Faktoren ab. Hier seien unter anderem Organisationsstruktur, Aufbau des Teams und die Bereitschaft zur Änderung bestehender Muster genannt.

Es stellt sich die Frage, ob Apps bei der Einführung und Nutzung agiler Methoden helfen können. In den App-Stores findet man auf jeden Fall eine Vielzahl von Anwendungen zu fast jedem halbwegs bekannten Framework.

An die Wand gepinnt

In iX 12/2012 haben die App-Infos zum Thema Projektmanagement bereits Kanban-Boards vorgestellt, die ursprünglich in der japanischen Automobil-Industrie zum Verwalten von Produktionsschritten verwendet wurden. Sie repräsentieren in der IT eine Art nach Kategorien geordnete Pinnwände. Die Teammitglieder schreiben Aufgaben, die im Projektverlauf verschiedene Kategorien betreffen, auf selbstklebende Notizzettel.

Die damals vorgestellten Apps „KanbanFor1“ und „iScrumboard“ richteten sich eher an individuelle Nutzer solcher Boards und sind leider nicht mehr erhältlich. Eine heute verbreitete Kanban-Board-Anwendung ist „Trello“. Die App war lange ein eigenständiges Produkt, wurde aber vor einiger Zeit von Atlassian gekauft, dem Hersteller von Werkzeugen wie Jira oder Confluence.

Nutzer der App können über anzulegende Spalten den Workflow einer Aufgabe visualisieren. Pro Aufgabe erstellt man eine Karte, die in der Regel in einer generellen To-do-Liste ihren Anfang nimmt und von dort durch verschiedene Spalten wandert, bis die Aufgabe vollständig erledigt ist. Auf jeder Karte kann man zusätzliche Angaben wie Hintergründe, Checklisten, Fälligkeitsdatum oder Informationen in anderen Dateiformaten anhängen. Außerdem lassen sich einer Karte Teammitglieder hinzufügen, sobald sie die Verantwortung für eine Aufgabe übernommen haben. Die Verlinkung von Karten ist ebenfalls möglich – auch über verschiedene Boards.

Die Trello-App gibt es kostenlos für iOS- und Android-Geräte, Trello für Android hat allerdings noch den Zusatz „Beta“. Wer möchte, kann auf Trello auch über den Webbrowser zugreifen – Nutzern von Google Chrome steht hier eine Reihe von Chrome-Extensions zur Verfügung – unter anderem Kartenzähler, Farbcodierung oder Scrum-Features.

Wer Kanban-Boards für sich allein oder in kleinen Teams nutzen möchte, ist mit der kostenlosen Trello-App gut bedient. Wer in größeren Teams arbeitet, erhöhte Sicherheit bei der Zugriffskontrolle benötigt oder auf die Integration mit Werkzeugen wie Jira, Bitbucket, Evernote, Google Hangouts, Mailchimp, Salesforce, Slack, Google Drive, Dropbox oder andere angewiesen ist, kann für 9,99 US-Dollar pro Nutzer und Monat auf Trellos „Business Class“ upgraden. Zusätzliche Sicherheitsfeatures gibt es via „Trello Enterprise“, das auch das Management großer Teams über mehrere Projekte erlaubt.

Muss man die Aufgabenplanung weder mit einem Team noch mit Stakeholdern teilen, lohnt sich ein Blick auf „Kanbana“. Die App ist sehr einfach: Spalten anlegen, Aufgaben notieren und mit einem Farbcode versehen und schließlich jede Aufgabe durch den selbst bestimmten Workflow wandern lassen, bis sie erledigt ist. Mehr kann die App nicht, mehr braucht sie aber nicht zu können – der Blick aufs Wesentlich wird nicht abgelenkt, und die Anwendung ist intuitiv und einfach zu erlernen.

Kanbana ist kostenlos, kann jedoch lediglich auf einem Gerät genutzt werden. Will man auf mehreren Geräten (iPhone, iPad und Desktop-Computer) auf das Board zugreifen, muss man „Kanbana Anywhere“ für 9,99 Euro per In-App-Kauf erwerben. Wer mehr als ein Board nutzen möchte, kann die Funktion „Multiple Boards“ für weitere 4,49 Euro hinzukaufen. Alternativ bietet Kanbana ein Premium-Abonnement für 2,99 Euro monatlich an.

Mit verdeckten Karten

Scrum ist ein agiles Framework mit genau definierten Rollen und Prozeduren. Im Rahmen des Schätzens von Aufgaben kommt dabei dem Planning Poker eine wichtige Rolle zu. Dabei trifft sich das Team, um Aufgaben im Backlog eine Gewichtung zu geben. Jeder spielt verdeckt eine Karte seines Decks, alle werden gleichzeitig umgedreht und man versucht dann, nach Regeln wie „Mehrheit gewinnt“ Einigkeit herzustellen. Ein üblicher Ansatz ist, hierfür Decks mit Karten zu verwenden, die mit einer modifizierten Sequenz der Fibonacci-Zahlen starten. Oft sind das die Werte 1, 2, 3, 5, 8, 13 und 21, ergänzt um 40, 100, das Fragezeichen und eine Kaffeetasse. Das Fragezeichen deutet an, dass die Aufgabe zu komplex für eine Schätzung ist, die Kaffeetasse ist der visuelle Schrei nach einer Pause.

In den App-Stores findet man unzählige Anwendungen zu diesem Zweck, die meisten davon voller direkter oder indirekter Werbung und optisch nicht unbedingt ansprechend. Wer iOS nutzt und bereit ist, 3,49 Euro auszugeben, dem sei „Scrum Poker Cards“ empfohlen. Die App funktioniert sowohl auf dem iPad als auch auf einem iPhone und bietet gleich drei verschiedene Decks zum Planning Poker. Neben dem Standard-Deck gibt es eins mit den vollständigen Fibonacci-Zahlen sowie eins mit T-Shirt-Größen.

Für Android gibt es Scrum Poker Cards kostenlos, allerdings beinhaltet das nervige Werbeeinblendungen. Die Android-Version bietet darüber hinaus ein Feature zur Unterstützung von Baselines. Dabei handelt es sich um die Definition von Wertigkeiten für einzelne Karten im Planning Poker, zum Beispiel „Die 1 entspricht Kleinigkeiten, die man in 1 bis 2 Stunden schreiben und testen kann“. Das ist vor allem hilfreich, wenn man mehrere Scrum-Teams hat – und damit verschiedene Auffassungen von Wertigkeiten –, die ein geteiltes Backlog nutzen.

Ein Scrum-Team trifft sich in der Regel jeden Tag zu einem Stand-up. „Jell“ versucht, mit verschiedenen Werkzeugen das Verwalten und Verfolgen von Fortschritten zu vereinfachen – insbesondere in Organisationen mit räumlich verteilten Teams. Dazu legt man in der App Teams an und lädt individuelle Nutzer seiner Organisation ein, Mitglied in dem entsprechenden Team zu werden. Jedes Mitglied kann für das Stand-up Antworten auf die Fragen nach dem gestrigen Fortschritt, dem Plan für heute und zu eventuellen Problemen einstellen. Komplettierte Aufgaben lassen sich abhaken und tauchen am nächsten Tag bereits in der Kategorie „gestriger Fortschritt“ auf.

Alltagsrituale

Jell ist in erster Linie ein webbasiertes Produkt mit einem Abo-Modell zum Einstiegspreis von 4 US-Dollar pro Nutzer und Monat. In der agilen Gemeinde gibt es verschiedene Ansichten zu räumlich verteilten Teams. Möchte oder muss man allerdings so arbeiten, erweist sich Jell durchaus als nützlich. Die App lässt sich in Kombination mit „Slack“ betreiben, und man kann seine Stand-up-Antworten aus Slack heraus verwalten. Leider sind die mobilen Jell-Apps für Android und iOS schlecht und lieblos gemacht. Es handelt es sich dabei um HTML-Seiten in einem Webview, die bei Weitem nicht so fehlerfrei funktionieren wie die eigentliche Web-App des Produkts.

Ein anderer Teil von Scrum sind Meeting-Rituale zur Vor- und Nachbereitung von Sprints. Die Länge dieser Treffen wird im Wesentlichen in Abhängigkeit von der Sprint-Länge definiert, und die Begriffe TimeBox oder TimeBoxing beschreiben das fokussierte Arbeiten für diesen Zeitraum.

Die kostenlose Android-App „Timebox Timer“ stellt einen visuell schlichten, aber ansprechenden Timer dar, den man gut für Scrum-Rituale nutzen kann. Man stellt die gewünschte Länge des Timers auf dem Ziffernblatt ein und kann auch verschiedene Vorlagen für wiederkehrende Längen definieren. Die App zeigt Werbung an, die sich aber zum Preis von 0,99 Euro per In-App-Kauf deaktivieren lässt.

Nutzer von iOS sollten sich „TimeBoxing“ anschauen, eine grafisch gut gestaltete App. Sie visualisiert die verbleibende Zeit in der Timebox durch den Teil eines Kreises, der die Farbe wechselt – von Grün über Gelb hin zu Rot. Die App kann leider keine Vorlagen verwalten und muss daher für jedes Meeting neu eingestellt werden. Die Länge einer TimeBox ist auf 60 Minuten beschränkt. Zum Preis von 1,09 Euro ist TimeBoxing durchaus empfehlenswert. (ka@ix.de)