iX 8/2018
S. 3
Editorial
August 2018
Jürgen Seeger

Intel zum 50.

Sage und schreibe 2018 Drohnen, die eine LED-Lichtshow auf den Nachthimmel schreiben, hat Intel am 18. Juli zu seinem 50. Geburtstag am Firmensitz in Santa Clara aufsteigen lassen. Damit toppt der zweitgrößte Halbleiterhersteller noch seinen Guinness-Rekord zu den Olympischen Spielen 2018 – in Pyeongchang waren es „nur“ 1200 Drohnen.

Kritiker sehen in der Show ein Ablenkungsmanöver von aktuellen Problemen. Denn eine Viertel-Billion-Dollar-Firma (Marktkapitalisierung) mit über 100 000 Angestellten brauche mehr als das übliche „Höher, schneller, weiter“. Wobei das nach einem der Intel-Gründer benannte Moore’sche Gesetz – Verdoppelung der Prozessorleistung alle 18 Monate – durchaus noch gilt. Aber das nur am Rande.

In der Tat wirkt auf den ersten Blick die Lage in Santa Clara nicht unproblematisch. Den 50jährigen Geburtstag muss Intel ohne Chef feiern. CEO Brian Krzanich trat im Juni dieses Jahres nach dreijähriger Tätigkeit zurück, weil ein lang zurückliegendes Verhältnis mit einer Mitarbeiterin im Nachhinein bekannt geworden war – ein Verstoß gegen den Firmen-Kodex.

Im Unterschied dazu interessierte sein Verhalten angesichts der Spectre-Lücken offenbar weder Intels Aufsichtsrat noch die Aufsichtsbehörden. Die weitreichende Sicherheitslücke in Intel-Prozessoren wurde Anfang 2018 veröffentlicht. Konzernintern war sie spätestens Mitte Juni 2017 bekannt, im November 2017 stieß Krzanich bis auf einen Pflichtanteil sämtliche Aktien seines Arbeitgebers ab.

Frühzeitiges Aufdecken eigener Fehler zählte noch nie zu den Kernkompetenzen Intels. Als 1994 ein Mathematiker den FDIV-Bug publizierte, einen Fehler in der Fließkommaberechnung, spielte Intel dessen Reichweite herunter. Dabei war auch dieser Fehler firmenintern längst bekannt. IBM fand das wenig witzig und stellte den Pentium-Vertrieb ein.

Das Spectre-Problem ist nicht ausgestanden, im Mai 2018 wurde der Nachfolger Spectre NG bekannt. Zu Intels Entlastung sei erwähnt, dass davon auch AMD-, ARM- und PowerPC-CPUs betroffen waren. Ob die Chip-Konkurrenten eine offenere Fehlerkultur pflegen, sei einmal dahingestellt.

Die Folgen ausbaden müssen jedenfalls die Kunden. Die Anteilseigner hingegen muss all das nicht tangieren. Es gab nur ein einziges Jahr, das Intel mit einem operativen Verlust abschloss – 1986, als man nicht genügend PC-Prozessoren liefern konnte, weil man den Boom der Personalcomputer nicht auf dem Schirm hatte. In allen anderen Jahren schrieb der Konzern Gewinne. Die Umsatzrendite liegt derzeit bei 20 Prozent, der Aktienkurs hat trotz Spectre in 12 Monaten um ein gutes Drittel zugelegt. Was soll man da anderes sagen als „Herzlichen Glückwunsch!“

Unterschrift Jürgen Seeger Jürgen Seeger