Ford Transit Custom PHEV im Test: Auf der Suche nach einem Szenario

Ford bietet den Transit Custom auch als PHEV mit seriellem Hybridantrieb an. Der Ansatz ist vielversprechend, es fehlt jedoch an sinnvollen Einsatzgebieten.

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Ford Transit Custom PHEV

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Ford baut etwas selten Gewordenes: einen seriellen Plug-in-Hybridantrieb. Das Fahrzeug wird also immer vom Elektromotor angetrieben, während der Dreizylinder-Benziner an einem Generator Strom liefert, wenn die 13,6-kWh-Batterie leer wird. Die Stromübertragung ersetzt hierbei das Verbrenner-Getriebe, wie bei ähnlich großen dieselelektrischen Baumaschinen. Das erinnert beim Fahren ein bisschen an ein CVT, also ein stufenloses Getriebe. Man gewöhnt sich schnell daran. Und obwohl der Motor bei Leistungsabfrage laut wird, geht es bei 120 km/h Endgeschwindigkeit leise genug zu.

Ford Transit Custom PHEV Standards (4 Bilder)

Von außen deutet fast nichts auf den seriellen Hybridantrieb hin.
(Bild: Clemens Gleich)

Der Antrieb hat einen großen Vorteil: Anders als bei deutschen "Premium"-Plug-ins muss der E-Motor im rein elektrischen Betrieb nicht ständig gegen kaltes Automatikgetriebeöl arbeiten. Diesen Umstand verdächtige nicht nur ich als Ursache des hohen elektrischen Verbrauchs dieser Bauart. Häufig kostet mit Strom zum Haushaltstarif fahren, dasselbe wie oder gar mehr als flüssiger Treibstoff. Man vergebe der Kundenmehrheit, dass sie dem nicht vorhandenen Anreiz entsprechend selten folgen. Der Ford-PHEV dagegen fährt wie ein BEV (batterieelektrisches Vehikel/Fahrzeug) mit einem selbst kalt widerstandsarmen Einganggetriebe.

Meine gemessenen Verbrauchswerte lagen zwischen 34 und 38 kWh pro 100 km BRUTTO vor dem Lader gemessen, Profil: "über die Dörfer". Das sind okaye Werte. Ich versprach mir etwas geringere Verbräuche, der Testwagen kam jedoch auch mit einem Testgewicht von 515 kg Masse im Laderaum (halbe Nutzlast). Man kommt rein elektrisch typischerweise rund 35 km weit. Wer elektrisch fahren will, muss also ständig anstecken. Ob sich das finanziell lohnt, hängt vom Strompreis ab. Bei einem üblichen Haushaltsstromtarif (30 ct/kWh) und dem aktuellen Benzinpreis von 1,25 Euro liegt der Break-Even-Point bei gut 9 Litern auf 100 km, was überland mit dem Hybrid ohne jegliche Ladevorgänge in vielen Fahrprofilen ohne große Verrenkungen möglich ist.

Will der termingeplagte Lieferwagenfahrer lieber ein Mal tanken oder 15 Mal stecken? Die große PHEV-Zwickmühle: Es laden hauptsächlich Leute, die Strom geschenkt kriegen (gewerblich) oder die einfach gern elektrisch fahren wollen (privat). Zur Dekarbonisierung des Verkehrs trägt die Hybrid-Technik damit kaum bei. Gegenüber dem 77-kW-Diesel, gegen den der PHEV vom Könnensprofil am ehesten antritt, lohnt sich das Fahrzeug selbst mit 5625 Euro PHEV-Förderung und einem aufgrund der geplanten CO2-Bepreisung angenommenen deutlich erhöhten Dieselpreis von (derzeit) 1,20 Euro erst nach über 500.000 km.

Ford Transit PHEV Details (16 Bilder)

Von oben kaum sichtbar: Statt eines Getriebes überträgt ein Generator die vom Dreizylinder erzeugte Energie zum elektrischen Antrieb.
(Bild: Clemens Gleich)

Der reine Benzinverbrauch auf der Autobahn lag zwischen 10,6 und 11,4 L/100 km. Das sind für 120 km/h Spitze keine Topwerte, aber ebenfalls okay. Es ginge sicher noch ein wenig besser, wenn Ford den zerklüfteten Unterboden verkleiden würde, aber das triebe den Preis weiter in die Höhe. Leser bemerkten bei anderen PHEV-Antrieben zu Recht, dass die Steuerung das Optimum aus beiden Welten heraushole, wenn Batterie und Tank auf per Navi gegebener Strecke im optimalen Zweitanz genutzt werden.

Solche Überlegungen sind beim Transit-PHEV unnötig, denn seine Automatik-Steuerung fährt stumpf die Batterie leer und schaltet dann den Dreizylinder ein. Es gibt dazu die üblichen Modi mit "rein elektrisch", "Batterie geladen halten" und "Batterie am Ende der Fahrt möglichst voll". Immerhin sind dem Transit Wetter und Navi egal, seine Verbräuche sind relativ konstant, also gut planbar.

These: Selbst Ford glaubt nicht, dass dieser Antrieb nennenswertes Kundeninteresse findet und hat es eher homologiert, um für die Flottenverbrauchs-Strafzahlungen einen Trumpf in der Hinterhand zu behalten. Das Fahrzeug wirkt einfach so ... unfertig. Bestes Beispiel: Der Transporter kann im Rangierbetrieb nicht exakt gefahren werden. Er kann sich bestenfalls in Spastiken oszillierend der erforderlichen Position nähern, und schon das allein disqualifiziert ihn eigentlich für die meisten Einsätze im Handwerker- und Lieferbetrieb. Come on, Ford! Jeder abgerockte Renault Trafic kurz vor seinem Ende kann das besser.

Diese Existenz zwischen den Stühlen bei hohem Preis und eklatanten Schwächen hat mich kaum sinnvolle Use Cases erspinnen lassen, und kein einziges reales Einsatzszenario. Die Handwerker, die in Pioniersstimmung aktuell ihren Fuhrpark umrüsten, kombinieren eher vollelektrische Transporter mit den Dieselmotoren im Bestand. Die Lebensraumnischen für diesen Ford-Antrieb werden winzig sein – wenn sie überhaupt existieren. Weitere These: Auch Ford-Kunden warten eher auf einen rein batterieelektrischen Antrieb aus Köln, den sie mit ihren Diesel-Transits im Fuhrpark kombinieren können.

Der Ford Transit PHEV kostet ab 55.674,20 Euro brutto (47.9945,- Euro netto).