Opel Astra Electric Sports Tourer: Erste Ausfahrt​ mit dem E-Kombi

Der Astra Kombi glänzt nicht mit technisch überragenden Daten, überzeugt aber im Alltag. Ein Hindernis muss Opel allerdings beseitigen. Eine erste Ausfahrt.​

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Opel Astra Electric Sports Tourer

(Bild: Opel)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
Inhaltsverzeichnis

Sie sind eine Randerscheinung, und doch in Westeuropa eine feste Größe: Kombis sind nach wie vor gefragt. In Verbindung mit einem batterieelektrischen Antrieb allerdings ist die Karosserieform so gut wie nicht zu haben. MG kann liefern, Stellantis mit den beiden Marken Peugeot und Opel auch. BMW will ab dem kommenden Jahr eine deutlich zahlungsbereitere Kombi-Klientel bedienen. Der Opel Astra Electric gibt sich volksnäher, doch davon sollte sich niemand täuschen lassen. Eine erste Ausfahrt.

Der Kombi legt natürlich da zu, wo die Limousine früher Grenzen zieht. Mit 4,64 m ist der Sports Tourer fast 30 cm länger, der Radstand wächst um fast 6 cm auf 2,73 m. Dieser Zuwachs ist zu spüren: Vorn sind die Platzverhältnisse von Limousine und Kombi gleich, doch auf der Rückbank geht es im Sports Tourer großzügiger zu. Statt 352 fasst der Kombi-Kofferraum 516 Liter. Das sind 81 Liter weniger als in einem Astra Kombi mit Verbrennungsmotor. Die Ladefläche ist 1,02 m lang, ein Zuwachs gegenüber der Limousine von rund 25 cm. In den Kombi passt also, wenig überraschend, deutlich mehr rein.

Die technischen Daten gleich weitgehend der Limousine. Der E-Motor leistet 115 kW und bietet 260 Nm Drehmoment. In Zeiten, in denen ein Smart-Basismodell 200 kW ins Rennen wirft, mag das schmalbrüstig erscheinen, doch natürlich ist der Astra Electric mehr als nur ausreichend motorisiert. Es geht flott voran, erst oberhalb von 130 km/h lässt der Schub fühlbar nach. In der Spitze sollen 170 km/h möglich sein, im Standardsprint nennt das Werk 9,3 Sekunden.

Opel Astra Electric Sports Tourer außen (5 Bilder)

Opel bietet den batterieelektrischen Antrieb nun auch in Kombi-Verpackung an.
(Bild: Opel
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Wer keine Rennen im Straßenverkehr mehr gewinnen muss, wird rasch feststellen, dass das Leistungsangebot für den Alltag vollauf genügt. Vor allem die Spontanität im Antritt ist, die den Unterschied zu den Verbrennern ausmacht. Der Astra Electric wirkt leichtfüßig und auch agil. Dazu bleibt es angenehm ruhig. Wie in der Limousine lautet deshalb das Urteil: Es gibt bessere Elektroautos, doch wenn es ein Astra sein soll, ist der elektrische Antrieb der angenehmste.

Auch beim Laden zeichnen sich keine Heldentaten ab. Opel verspricht in der Spitze 100 kW an Gleichstrom, an Wechselstrom sind maximal 11 kW möglich. Stellantis hätte die Chance nutzen und im Rahmen der Überarbeitung des Antriebsstrangs im vergangenen Jahr 22 kW an Wechselstrom ermöglichen können – und hat sie vertan. Ein Vorkonditionierung der Batterie gibt es nicht, und auch die Ladeplanung des Navigationssystems hat noch ein paar Lücken. Dazu lässt sich im Auto weder die Ladeleistung reduzieren noch eine Beschränkung der des Ladestandes bei 80 Prozent festlegen. Das würde automatisiert die Batterie schonen. Für Stellantis gibt es also einige Hausaufgaben zu erledigen. Immerhin: Eine Wärmepumpe für die Senkung des Verbrauchs der Heizung im Winter ist serienmäßig.

Opel Astra Electric Sports Tourer technische Details (3 Bilder)

Die Batterie bietet netto 51 kWh. Im Sommer sind damit 300 km plus eine ordentliche Reserve möglich, wenn der Fahrer es nicht darauf anlegt, den Verbrauch zu maximieren.
(Bild: Opel)

Die Batterie hat brutto 54 kWh, netto sind es 51. Im WLTP nennt Opel einen Verbrauch von 15 bis 15,8 kWh und eine Reichweite von 413 km. In der Praxis kalkuliert man im Jahresmittel besser mit rund 17 kWh/100 km abseits der Autobahn und etwa 280 km plus Reserve. Im Sommer dürften bei gemäßigter Fahrweise deutlich mehr als 300 km möglich sein. Mehr Reichweite, Lade- oder Motorleistung gibt es im Astra auch gegen Aufpreis derzeit nicht.

Ein paar Wünsche lässt sich Unterhaltungsgelektronik und ihre Mitspieler offen. Dabei macht Opel eine Menge richtig: Die Oberfläche des Systems lässt sich einrichten. Das, was der Fahrer nutzt, kann also ohne viel Aufwand in den Vordergrund gestellt werden. Das Navigationssystem kauft Stellantis von TomTom ein, was keine schlechte Wahl ist. Auf Eingaben reagiert das System flott, Sprachbefehle werden halbwegs befriedigend abgearbeitet.

Die funktionsarme App, die sich nur zäh mit dem Auto verbindet, ist reif für einen Nachfolger. Hinzu kommt: Seit einer Neuausrichtung der Online-Services sind die ersten sechs Monate Verkehrsdaten aus dem Netz und Kartenupdates inklusive. Im Anschluss daran möchte Opel dafür im Jahr 120 Euro haben. Das ist viel zu teuer, zumal sich Android Auto und Apple CarPlay ohne Strippe bequem integrieren lassen. Schon während des Corsa-Tests haben wir spekuliert, dass Stellantis das nur schwerlich durchsetzen wird. Kalkulatoren bei Opel haben sich überlegt, das Werks-Navigationssystem nur in der teureren von zwei Ausstattungslinien anzubieten. Dort kostet es 800 Euro, was den Eindruck verfestigt, dass der Kunde dies besser links liegen lässt.

Opel Astra Electric Sports Tourer innen (3 Bilder)

Das Interieur ist ordentlich verarbeitet und weitgehend intuitiv zu bedienen. Man spürt, dass sich Opel darum bemüht hat.
(Bild: Opel)

Ausgesprochen selbstbewusst hat Opel auch den Rest des Autos kalkuliert. Der am wenigsten teure Astra Electric Sports Tourer kostet laut Liste 43.490 Euro, für die umfangreich ausstaffierte Version "GS" sind nochmals 3000 Euro mehr anzulegen. Von diesen Summen sind die Subventionen, die mit dem Jahreswechsel sinken, noch abzuziehen. Mit nur wenigen Extras werden auf der Schlussrechnung letztlich fast immer mehr als 40.000 Euro stehen. Man sollte mit Prognosen vorsichtig sein, doch ich glaube, dass die für die Kalkulation Verantwortlichen bei Opel im kommenden Jahr zu dem Schluss kommen, dass diese Preisvorstellung nur eine Minderheit in der Zielgruppe mitgeht. Denn für diese Summe hat ein Astra Electric zwar kaum direkte Kombi-Konkurrenz, doch allerlei Gegner im SUV-Segment.

Eine inzwischen übliche, aber ärgerliche Politik ist es zudem, dem Basismodell ein paar Ausstattungsmerkmale vorzuenthalten: Navi, Matrix-Licht, Alarmanlage und Schiebedach etwa sind nur für die teure Version zu haben. Wer auf solche Dinge Wert legt, nähert sich einer Grenze von 50.000 Euro oder überschreitet sie sogar. Der Astra fährt sich sehr angenehm, ist ordentlich verarbeitet, bietet Platz und Komfort. Doch das alles werfen auch andere E-Autos in dieser Preisklasse mit in die Waagschale, zum Teil sogar noch überzeugender. Früher oder später wird Opel mit günstigeren Preisen gegenhalten müssen.

(mfz)