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Supermarkt-Rallye-Auto im Test: Toyota GR Yaris

Clemens Gleich
Toyota Yaris GR

(Bild: Clemens Gleich)

Toyota baut ein irres Auto als Rallye-Homologationsmodell für die Saison des wirren Jahres 2020. Akio Toyoda hält weiter Wort: Es ist ein tolles Fahrer-Auto.

Jeder Mensch, dessen Bluttest auch nur einen Hauch von Benzin ausweist, hat mittlerweile von Toyotas GR Yaris gehört. Der Hype ist so groß, dass sich manche bereits vor der dem Überhype gern folgenden Enttäuschung fürchten. "Was ist so besonders an diesem Auto?", fragen sich Fahrer, die sich bisher zum Beispiel für einen VW Polo GTI interessierten. Das Besondere ist schlicht: Toyota hat ein Rallye-Homologationsmodell alter Schule gebaut.

Anfang März 2021: Kalle Rovanperä fährt auf den ersten Platz der WRC-Gesamtwertung vor. Das Toyota Gazoo Racing World Rally Team führt die Herstellerwertung an. UND der GR Yaris lohnt sich ökonomisch als Serienfahrzeug. Win-Win-Win.

(Bild: Toyota)

Früher (tm) gab es häufiger Homologations-Sondermodelle für den Rallyesport. Die Kunden standen meistens schon Schlange, bevor das Werk überhaupt anlief, denn dieses Rennsport-Reglement schenkte der Menschheit Diamanten des Fahrzeugbaus: Lancia Stratos HF, Lancia Delta HF Integrale, Audi Sport quattro, Renault R5 Turbo, Subaru Impreza WRX STI, Mitsubishi Lancer Evolution, Ford RS200 – die Liste liest sich wie die feuchte Traumgarage jedes 16-jährigen Autofreaks, und sie tut das, weil diese Autos genau so viel Kompromisse für den legalen Straßenbetrieb machen, wie für Zulassung und Produktion nötig, um so viel Rennsport wie alles in allem möglich zu liefern. Wer ein schnelles, cooles Auto suchte, war bei den Homologationsmodellen immer an der richtigen Adresse, sowohl bei den eben gelisteten Rallye-Modellen als auch bei Tourenwagen-Specials wie BMWs herrlichen E30-M3 für die Teilnahme an der DTM.

Das aktuelle WRC-Reglement für die Gruppe A schreibt vor, dass der Hersteller 25.000 Stück eines Homologations-Basismodells in 12 Monaten produzieren muss. Das soll verhindern, dass Hersteller nur pro forma eine Handvoll Straßenautos raushauen, die ihren de-facto-Prototypenrennwagen legitimieren. Toyota baut den GR Yaris als dieses Basismodell für den Einsatz in der WRC. Wie beim Supra gibt es jedoch laut Toyota ein Geschäftsmodell, der GR Yaris soll also zumindest keine Verluste produzieren. Deshalb hat Toyota ob der hohen Nachfrage auch gleich klargemacht, dass die Nachfrage bedient werden soll: "Die 25.000 Stück sind kein Limit." Wir haben also eine Win-Win-Win-Situation: Ein Rallye-Auto mit Straßenzulassung und fairem Preis, das dem Hersteller Rennsport ermöglicht und trotzdem mit mindestens einem Altmaier (== eine schwarze Null) in der Bilanz steht.

Toyota GR Yaris außen (0 Bilder) [1]

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Und der GR Yaris ist wirklich ein altmodisches Homologationsmodell: Das CFK-Dach ist extraniedrig, sodass man schon mit 180 cm Länge auf "Sitz ganz unten" zweifeln muss, welcher Helm da noch mit reinpassen soll. Die hintere Sitzbank liegt nur pro forma drin, sie ist praktisch nutzlos und nur dazu da, als Gewichtsminderungsmaßnahme entfernt zu werden. Die Aluminiumtüren scheppern. Der Rückspiegel verdeckt den Kurvenausgang rechtsherum und auch sonst recht viel. Der geringe Lenkeinschlag macht dich im Parkhaus trotz (oder wegen) Kleinstwagengröße zum virtuellen Vollidioten. Aber das alles sind Kompromisse, die man gern eingeht für das, was dieses Auto im Gegenzug liefert: Fahrspaß, so roh und fein wie ein Wagyu-Carpaccio – und wie ebendies nicht jedermanns Sache.

Es fängt an mit der Kombination Dreizylinder-Turbobenziner mit Sechsgang-Handschaltung. Da rührt man am kurzen Hebel, schnicks, Gang drin, und der Triple schiebt unten, hat in der Mitte Fleisch und dreht trotzdem oben gern heraus – die heilige Dreifaltigkeit des Reihendreizylinders, trotz des recht einfach gestalteten (dafür großen) Abgasturboladers. Kleiner Wermutstropfen: Toyotas Drehzahl-Synchronisierung iMT (nicht zu verwechseln mit Kias iMT) ist ein Komfort-Tool. Als Auto-Blipper à la Hyundai i30 N [3] oder Porsche 718 Spyder [4] ist es zu langsam. Schade.

Mit dem "Saauuund" meinte es Toyota etwas zu gut: Ein Akustikkoppler führt gefilterte Verbrennungsgeräusche auf die Lautsprecher in die Kabine. Das klingt zwar tatsächlich realistisch nach Dreizylinder, ich fordere jedoch auch an dieser Stelle noch einmal strenge Regulierung von Fake-Sound-Anlagen aller Art. Sonderabgabe für die Hörgeschädigtenforschung oder so. Der Akustikkoppler gehört zur Rückbank auf die Liste der Dinge, die man am besten sofort zwecks Gewichtserleichterung abschraubt. Nach außen zeigt auch dieses Turbo-Auto wieder einmal, dass ein Turbolader recht effektiv als Schalldämpfer Sekundärdienst tut.

Toyota GR Yaris innen (10 Bilder) [5]

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Innen wirkt es etwas eng, weil das Dach so niedrig hängt und mit ihm der Rückspiegel, der folglich wichtige Teile des Sichtfelds verdeckt, zum Beispiel den rechten Kurvenausgang.
(Bild: Toyota)

Der kleine Knubbelhebel der Handschaltung hat mich öfter in den fünften statt den dritten geführt beim Bummeln. Ich glaube, es liegt am Winkel der Schaltgassen zum Sitz. Auch mancher GR-Fahrer auf der Nordschleife hat sich da noch nicht ganz dran gewöhnt, geht man von der Geräuschkulisse aus. Hierzu werde ich gern noch Nachtests machen, denn ich suche sowieso bereits Ausreden, warum ich dieses Auto unbedingt noch einmal fahren muss. Eigentlich müsste ich es kaufen.

Abseits von Rennstrecken und der problematischen, oberflächlich rennstreckenähnlichen Landstraßen sind Sportwagen häufig etwas knifflig: zu breit, sehr tief, optimiert auf glatten, trockenen Asphalt. Als der Yaris da war, verabschiedete sich der Winter gerade: Temperaturen von 0 bis 6° C, Winterreifen, der erste Dreck der landwirtschaftlichen Frühjahrsarbeiten auf den Straßen. Es war perfekt – für ein Rallye-optimiertes Auto. Auf "Track" verteilt die Allradsteuerung das Motordrehmoment halbe-halbe auf beide Achsen. Das Auto schiebt dann erstaunlich brav über beide Achsen nach außen. Es bügelt die Buckelpisten des wintergerittenen Landstraßennetzes glatt. Es macht sogar sehr interessante Geräusche aus dem Allradantrieb, die mich entfernt an Godzilla erinnern, Nissans GTR.

Homologationsmodell mit echten Rallye-Credentials, das gerade deswegen irre Laune macht – und wir dachten, die Zeit solcher Autos sei vorbei! Nächste Saison (2022) will die WRC Hybridantriebe sehen. Vielleicht gibt es dann also einen GR-Yaris-Hybrid mit 9,5 Litern Verbrauch beim Bummeln statt 10 ...

(Bild: Toyota)

Und da kommt plötzlich alles zusammen: Ich kann mit diesem Auto auf der Rennstrecke trainieren. Ich kann jedoch auch kommod auf der Landstraße fahren, obwohl es nur drei Dinge gibt, die tatsächlich vom Yaris stammen (Lampen, Rückleuchten, Antenne). Vor allem jedoch kann ich mir das tatsächlich überlegen, denn dieses Auto fängt in einem Preisbereich an, in dem sich andere Hot Hatches bewegen, die wesentlich weniger hot sind. Ich lese hier, der normale Yaris sei das Auto des Jahres 2021. Der GR Yaris ist definitiv das Fahrerauto des Jahres.

Hersteller Toyota
Modell GR Yaris
Motor und Antrieb
Motorart Ottomotor
Zylinder 3
Bauart Reihenmotor
Leistung Verbrenner in kW (PS) 192 (261)
bei Drehzahl (U/min) 6500
Maximales Drehmoment in Nm 360
bei Drehzahl (U/min) 3000 bis 4600
bei Drehzahl (U/min) 170
Hubraum in ccm 1618
Bohrung x Hub in mm 87,5 x 89,7
Antrieb Allradantrieb
Getriebe Sechsgang-Handschaltung
Fahrwerk
Radaufhängung vorn MacPherson-Federbein
Radaufhängung hinten Doppelquerlenker
Wendekreis in m 11,2
Bremse vorn innenbelüftet, 356 x 28 mm, Vierkolben-Festsättel
Bremse hinten innenbelüftet, 297 x 18, Zweikolben-Festsättel
Reifen 225/40 ZR 18
Maße und Gewichte
Länge in mm 3995
Breite in mm 1805
Höhe in mm 1455
Radstand in mm 2560
Bodenfreiheit in mm 124
DIN-Leergewicht in kg 1280 bis 1310
Zulässiges Gesamtgewicht in kg 1645
Tankinhalt in Litern 50
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit in km/h 230
Leistungsgewicht in kg/PS 4,9
Beschleunigung 0 - 100 km/h in s 5,5
Verbrauch
Testverbrauch in l / 100 km 9,9 bis 14,6
WLTP-Verbrauch in l / 100 km 8,2
Abgasnorm Euro 6d
Daten Stand März 2021
Modell Toyota GR Yaris
Grundpreis in EUR
33200
Interessante Extras
High-Performance-Paket mit Sperrdifferenzialen
4490

(cgl [7])


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[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Hyundai-i30-N-4046401.html
[4] https://www.heise.de/tests/Test-Porsche-718-Spyder-4792287.html
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