Test BMW 840i Cabrio: Ode an den Sechszylinder

Kann Freude am Fahren heutzutage noch Selbstzweck und Luxusgut sein? Wir testen mit einem 840i Cabrio, wie viel Emotionen man heute noch bei BMW bekommen kann

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BMW 840i Cabrio

(Bild: Christian Lorenz)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Das Thema Auto und Emotion wird in diesen Zeiten immer schwieriger. Die meisten übermotorisierten und sündhaft teuren High-tech-Kutschen machen rein subjektiv, dem Autor und seinen Kollegen immer weniger Spaß. Der Fotograf Jim Rakete sagte einmal über die Alfa Romeo Giulia, die 1962 die Kategorie „Sportlimousine“ auf ewig mitprägte: „Es gibt Autos und es gibt Werkzeuge. Die Giulia ist ein Auto. Mein Mercedes-T-Modell ist ein Werkzeug – ein tolles Werkzeug, das mir viel Freude macht, aber trotzdem nur ein Werkzeug.“

In diesem Sinne hat nicht nur BMW das Problem, dass die Autos immer mehr Perfektion im Fahrverhalten, aber kaum Emotion bieten. Man ist schneller als je zuvor, aber spürt davon herzlich wenig. Die Kollegen der Auto Motor und Sport kamen bei einem Impressionsvergleich zwischen einem BMW 323i Ur-Dreier (E21) von 1978 und dem nagelneuen M340i (G20) mit nahezu 200 Mehr-PS zum gleichen Ergebnis. Es gibt keinen einzigen Punkt, an dem der Alte dem neuen auch nur halbwegs das Wasser reichen kann. Außer beim Fahrspaß. Leider wird das Gefühllose der Moderne immer mehr durch geradezu liebloses Design unterstrichen.

Bei zeitgenössischen BMW macht schon von Weitem eine um sich greifende Nierenschwellung einen positiven Zugang nicht ganz leicht. Beim 8er ist die Niere aber gar nicht mal das Schlimmste. Viel mehr wirkt das ganze Fahrzeug zu adipös für einen Granturismo. Die Blechfülle über der Hinterachse wirkt ähnlich unvorteilhaft wie die viel zu engen Leggings an der drallen Blondine. Gerade das Cabrio lässt das Heck besonders schwer wirken. Beim Coupé bieten eine eingezogene C-Säule und eine abfallende Linie dem Auge wenigstens noch ein gewisses Linienspiel.

BMW 840i Cabriolet (25 Bilder)

Das BMW 840i Cabriolet hat ein Leergewicht von 1905 kg. Der 340 PS starke Reihensechszylinder kann es in 4,9 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen.
(Bild: Alle: Christian Lorenz)

Emotional gefangen ist man also noch nicht, wenn man auf den Fahrersitz des Cabriolets schlüpft. Die bekannte Siebener-Cockpit-Architektur mit dem obligatorischen „Live Cockpit“ macht auch nicht wirklich an. Obwohl die Verarbeitung im Testwagen keine peinlichen Blößen zeigt. Allein das Kombiinstrument mit seinen ästhetisch wie ergonomisch missglückten Skalen für Geschwindigkeit und Drehzahl. Die sollen die Nierenform aufgreifen und treiben einem Tränen in die Augen, wenn man an die edel gemachten und perfekt abzulesenden Blackpanel-Rundinstrumente z.B. eines 6er-Cabrios (F12) denkt.

Besser wird es aber mit dem Druck auf den Startknopf. Der Reihensechszylinder, im 8er der Einstiegsmotor für das Edelprekariat, erwacht mit einem herrlichen Timbre. Gerade richtig abgeschmeckt, klingt dieser Ton emotional, ohne laut oder peinlich zu werden. Das Grinsen wird breiter mit dem Zug am mittleren Schalter hinter dem Automatikwählhebel. Innerhalb von 15 Sekunden verschwindet das Verdeck in seinem Kasten. Vielleicht ist die Freude am Fahren doch noch nicht tot.

Grundsätzlich mag die Übersichtlichkeit bei Autos zwar überschätzt sein. Manche Design-Ideen der jüngeren Neuzeit sprechen sogar für einen schwer erklärlichen Irrglauben in der Automobilindustrie, man müsse in den C-Säulen das ganze Hauptfeld der Tour de France verbergen können. In Hochpreis-Cabrio-Exoten-Segment sind solch kleingeistige Kriterien wohl nicht wichtig. Ich wäre trotzdem froh über mehr Übersicht gewesen. Der Preis einer Testwagenfelge übersteigt nämlich mein Monatsgehalt. Schon ein zu flacher Winkel an der Einfahrt führt zu irreparablen Schäden, da die Reifenflanke nur ein paar Millimeter dick ist und sich die Glanzlackierung der Felge einer Reparatur verweigert.

Komischerweise schrumpft der 8er unter dem im serienmäßigen Integralsportsitz ideal gelagerten Hintern. Mit jedem Kilometer passt er einem besser. Der Motor ist ein Freudenquell für alle Sinne. Er beschleunigt ansatzlos: Kein Loch, kein Sprung. Der Reihensechser fühlt sich wunderbar saugerhaft an. Kaum einer dürfte einen Achter mit dem Einsteigermotor kaufen. Die wenigen, die es tun, sind aber die echten Kenner. In diesen Endzeiten der freudigen Verbrennung ist das 840i Cabrio in meinen Augen der perfekte letzte BMW. Ein Denkmal für den Reihensechszylinder.

Die Achtgang-Wandlerautomatik von ZF ist kongenial der Zenit des Getriebes. Ob beim niedertourigen Cruisen oder bei der Hatz auf ansteigende Serpentinen. Die Automatik teilt einem dienstfertig die passende Übersetzung zu. Sie antizipiert, ob man es im Moment fix und knackig oder ruhig und harmonisch haben will. Und der Sechszylinder liefert dazu den ganz genau passenden Sound. Kein Heavy Metal, sondern eine melodische Ode an die Virtuosität von früher.