Test Peugeot e-Expert: Elektro-Transporter für den Gewerbe-Einsatz

Viele Nutzfahrzeug-Betreiber warten auf E-Transporter mit passender Reichweite. In Kleinbusgröße gibt es sie jetzt von Stellantis mit 75-kWh-Batterie.

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Peugeot e-Expert

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Im Liefer- und Handwerkerbetrieb taugt ein elektrischer Antrieb aufgrund der kurzen Fahrabschnitte oft besonders gut. Nur an Preis und Reichweite haperte es lange. Naja, am Preis hapert es immer noch. Doch zumindest bei der Reichweite gibt es langsam interessante Angebote. Der Peugeot e-Expert bietet die Option auf eine 75-kWh-Batterie, die einen großen Teil des typischen Betriebs bei Handwerkern oder Lieferdiensten abdecken sollte. Dieses Modell haben wir uns für einen Test in die Redaktion geholt.

Den schlichten Lieferwagen-Eindruck behält der Expert auch mit elektrischem Antrieb. Getriebesurren, Spulenfiepen, Fahrwerkskörperschall: Alles laut hörbar in der Kabine. Beim Umstieg von einem PKW fällt das noch auf, doch die Gewöhnung folgt schnell, weil der E-Antrieb insgesamt innen leiser arbeitet als ein Diesel. Die Leistung und Übersetzung passen.

Im Mischbetrieb überland bei spätsommerlichen Temperaturen ohne viel Heizung oder Kühlung kommt der e-Expert fast 300 km weit, wenn man ihn komplett leer führe. Wer mit gut 250 km über den Tag (an den Winter denken!) also hinkommt, braucht tagsüber nicht nachzuladen. Wer mehr Kilometer fährt, steckt zwischendurch den DC-Lader an, der bei der getesteten 75-kWh-Batterie über weite Bereiche die versprochenen 100 kW Ladeleistung liefert.

Auf der Autobahn mit nominal 130 km/h Tempomat verbraucht der Lieferwagen zwar mehr, aber es ist nicht so, dass der Verbrauch ins Nutzlose stiege. Mit Fuß am Boden zeigt der Tacho bis 136 km/h an, die tatsächliche Höchstgeschwindigkeit liegt bei 130. Das interne Reichweitenschätzeisen zeigte bei 130-km/h-Autobahntouren 28,6 kWh/100 km an, die geschätzte Reichweite liegt dann bei etwa 200 km, wenn Sie nicht zittern wollen. Etappen von 10 bis 80 Prozent dabei dann also mit guten 150 km planen.

Wer (etwa im Kurierdienst) ständige Fernfahrten erledigt, kauft einen der Dieselmotoren. Für Autobahnfahrten bis in die Gegend 300 km am Tag macht es der E-Antrieb ebenfalls gut, denn vergessen Sie nicht: An der Autobahn stehen die Schnelllader. Ich habe im Test ein Motorrad aus Stuttgarts Speckgürtel abgeholt – knapp 300 km hin und zurück, Tempomat 130, ein Mal unterwegs nachladen, easy-peasy.

Peugeot e-Expert im Einsatz (13 Bilder)

Warum haben die Transporter-Varianten seitliche Türen statt eine nach oben öffnende Heckklappe? Damit man mit dem Stapler laden kann.
(Bild: Clemens Gleich)

Insgesamt zeigt der Antrieb dieselben Stärken und Schwächen jener Modelle, die diese PSA-Plattform nutzen. Die im PKW-Bereich etwas enttäuschende Effizienz fällt beim Lieferwagen aufgrund des erhöhten Anteils der Antriebsenergie am Gesamtverbrauch kaum auf. Die Verbräuche sind okay. Sommers wie winters oszilliert die Kabinentemperatur etwas; das nervt. Die verfügbaren Gimmicks wie das aufklappende Head-up-Display finde ich persönlich recht nützlich, was Peugeots Infotainment-Einheit einschließt.

Ja, es gibt schlüssigere Bedienkonzepte, aber es gibt auch sehr viele Infotainmentkonsolen, die deutlich unzuverlässiger laufen. Daher können Sie sich ja fragen, was schlimmer ist: Eine leicht dämliche Bedienung oder Software-Fehler, während Sie eine neue Kundenadresse suchen. Was noch schön wäre: 230-Volt-Steckdosen mit Leistungen von je über 2 kW, wie sie Ford im kommenden elektrischen Transit anbieten will. Dann gäbe es auf jeder Baustelle Werkzeug-Strom.

Dem Testwagen lag der Schuko-Ladeadapter bei, der wie bei den E-Autos des Konzerns nicht zu empfehlen ist. Dieses Ding verschwendet Strom, dass es nicht mehr feierlich ist, aus verschiedenen, langweiligen Gründen, die Sie bei Interesse in unserem Test des e-208 finden. Betriebe, die sich einen E-Lieferwagen holen, werden wahrscheinlich sowieso eine steuerbare Wallbox dazu anschaffen. Dann lädt der e-Expert dreiphasig AC mit 11 kW. Für die Ladekabel findet sich ein guter Platz unter dem hochklappbaren Beifahrersitz, dann können Sie dort jedoch nicht mehr gleichzeitig Peugeots praktische (optionale) Durchreiche für Langteile von über 3 Metern Länge verwenden.

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Im Prinzip machte sich der kleine Lieferwagen recht beliebt. Es gibt jedoch einen Nachteil der großen Batterie, und der heißt: Verringerte Nutzlast. In den Papieren steht ein maximal zulässiges Gesamtgewicht von 3100 kg. Ich habe den Transporter auf der Waage des Kieswerks gewogen: Er wiegt etwa 2150 kg. Es bleiben also 950 kg übrig für Ladung und bis zu drei Personen in der Kabine. Im Paketlieferdienst ist das egal, in vielen Handwerks-Einsätzen ist das etwas mager. Die optional erhöhte Nutzlast, die es für die Dieselvarianten bis knapp 1400 kg Nutzlast gibt, bietet Peugeot im e-Expert für die große Batterie nicht an. Vielleicht passen die nötigen Verstärkungen nicht mehr neben 75 kWh Lithiumzellen.

Ich las vorher in praktisch allen Pressetests, dass die Zuladung ähnlich der Diesel-Variante wäre oder zumindest in der Gegend 1100+ kg. Davon ausgehend überlud ich das Fahrzeug versehentlich um knapp 200 kg und kann zumindest sagen, dass es überladen gutmütig fährt – auch ein relevanter Punkt für viele Einsatzgebiete. Die korrekten Zuladungen der verschiedenen Varianten finden Sie in Peugeots Prospekten. Auf den ersten Pressefahrten gab es offenbar falsche Informationen.

Peugeot e-Expert innen (11 Bilder)

Funktional eingerichtet, wenn man einmal davon absieht, dass es zu wenig Ablagen gibt.
(Bild: Peugeot)

Wer einen kleinen elektrischen Lieferwagen mit einer nicht so kleinen Batterie sucht, hat ehrlich gesagt keine große Wahl: Stellantis oder weiter warten. In Kleinbusgröße gibt es außer dem PSA-Angebot über alle Marken nichts mit einer ausreichend großen Batterie (also 75 kWh oder mehr). Mercedes-Benz' eVito kommt als Kastenwagen erst noch mit der 90 kWh großen Batterie, die es aktuell nur im eVito Tourer Pro oder im EQV gibt. Und dann zahlen Sie Mercedespreise.

Bei Batteriegrößen von 50 kWh oder darunter gelangen Sie im Winter schnell in Bereiche, in denen der Antrieb Ihren Tag verkompliziert, und wenn Sie Ihre Fantasie bemühen, wie sehr Sie einen Ladestopp brauchen können, wenn bei drei Kunden die Heizung ausfällt, werden Sie meine Argumentation nachvollziehen können. 50 kWh oder darunter (der eVito bietet aktuell nur 35 kWh) sind etwas für gut definierbare Einsatzgebiete oder einen Fuhrpark voller Alternativen für die längeren Touren. Genau hier hat Stellantis alles richtig gemacht, frühzeitig 75 kWh anzubieten. Als Elektriker einen elektrischen Bus anschaffen, der im Alltag keine Nachteile bringt? Das kann man angesichts der vielen Förderungen und Sonderabschreibungen durchaus einmal durchrechnen.