Missing Link: Karten-Pionier Schweden entdeckt die Bedeutung von Bargeld neu

Seite 2: Schweden sehen Schwinden des Bargelds zunehmend negativ

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Die EU arbeitet am digitalen Euro

(Bild: peterschreiber.media/Shutterstock.com)

Zugleich halten den Ergebnissen zufolge aber auch immer mehr Schweden den Rückgang des Bargeldverbrauchs für eine negative Entwicklung – 44 Prozent im Jahr 2023 im Vergleich zu 36 Prozent im Vorjahr. Auch der Anteil der Befragten, die meinen, dass sie in der heutigen Gesellschaft nicht ohne Bargeld auskämen, ist gestiegen im Vergleich zu 2022. Dies könnte ebenfalls "ein Effekt des erhöhten Krisenbewusstseins aufgrund des Krieges in der Ukraine sein", mutmaßen die Banker.

Genannt werde auch die Notwendigkeit, in bestimmten Situationen wie bei Vereinen, in Tante-Emma-Läden und auf Flohmärkten bar zu bezahlen, heißt es weiter. Manche betonten zudem, dass es ihnen durch die Nutzung von Bargeld eher gelinge, den Überblick über ihre Finanzen zu behalten. Älteren Menschen falle es generell deutlich schwerer, ohne Bargeld auszukommen als jüngeren. In der Umfrage 2023 gab die Hälfte der Befragten an, dass sie bar zahlen wollten, das Geschäft dies jedoch nicht akzeptiert habe. 2022 lag der entsprechende Wert erst bei 37 Prozent.

Ein oft zu hörendes Argument dafür, Bargeld auszusortieren, ist der Kampf gegen Kriminalität. Die Logik: Wo es kein Cash mehr gibt, finden auch keine Banküberfälle oder Sprengungen von Geldautomaten mehr statt, wird Geldwäsche erschwert. Sämtliche Zahlungstransaktionen würden der Anonymität entrissen, was kriminelle Aktivitäten erschwere. Der österreichische Ökonom Friedrich Schneider etwa rechnete bereits vor, dass die Schattenwirtschaft um 15 Prozent schrumpfen könnte ohne Bargeld. Ferner ließen sich Einkünfte so besser kontrolliern und besteuern.

Aber es gibt ja nicht nur die Bedürfnisse des Staates. Die Abschaffung von Bargeld "bedroht die informationelle Selbstbestimmung aller Bürger und ist damit politisch hochexplosiv", halten Urban Bacher, Professor für Bankmanagement, und Hanno Beck, Professor für Wirtschaftspolitik, von der Hochschule Pforzheim dagegen: "Es geht um Grundfreiheiten, um die Freiheit sich zu informieren, zu bewegen und auszutauschen, ohne Angst haben zu müssen, überwacht zu werden." Ob die mit der Idee der Abschaffung des Bargelds verbundenen Ziele potenziell massive Eingriffe in die Grundrechte rechtfertigen, sei zumindest "diskussionswürdig".

"Der Kampf gegen die kriminelle Wirtschaft ist sehr wichtig", schreibt die Riksbank dazu. Sie ist jedoch der Ansicht, "dass dies nicht dazu führen sollte, dass Geschäfte und andere Unternehmen kein Bargeld mehr annehmen". Solange Verbraucher und Unternehmen Cash benötigten und nutzen wollten, sollten sie dazu in der Lage sein. Betragsbegrenzungen können eine Möglichkeit sein, weiterhin die Möglichkeit der Barzahlung zu bieten und gleichzeitig Verbrechern Steine in den Weg zu legen.

Die EU verfolgt diesen Ansatz konsequent: Unterhändler des Parlaments, des Ministerrats und der Kommission einigten sich im Januar auf ein weiteres Gesetzespaket im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Barzahlungen über 10.000 Euro werden damit in der gesamten EU verboten. Die Mitgliedstaaten erhalten die Option, niedrigere Schwellenwerte festzulegen. Zuständige wie Banken oder Händler müssen ferner die Identität einer Person feststellen und überprüfen, sobald es um Bargeldtransaktionen zwischen 3000 und 10.000 Euro geht. Anonyme Zahlungen sind also nur noch bis 2999 Euro möglich.

Die Riksbank befürwortet zugleich den Vorschlag der nationalen Zahlungsverkehrsbehörde, dass es möglich sein sollte, Ausnahmen von der Anforderung zur Nutzung von digitalen Registrierkassen in Krisenzeiten oder bei erhöhter Alarmbereitschaft zu machen. Dies würde die Option erhöhen, in solchen Situationen bar zu bezahlen. Nach geltender Gesetzgebung müssen Händler in Schweden – ähnlich wie in Deutschland – in der Lage sein, alle Einkäufe in einer Registrierkasse zu erfassen und dem Kunden eine Quittung auszustellen. Das bedeutet, dass sie kein Bargeld annehmen können, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen, wenn ihr Kassensystem nicht funktioniert.

Weitere Maßnahmen zum Schutz von Bargeld hält die Zentralbank ebenfalls für unerlässlich. Der Staat müsse "die grundlegende Infrastruktur für Bargeld aufrechterhalten", sonst bestehe "die Gefahr, dass Bargeld als Zahlungsmittel in naher Zukunft nahezu unbrauchbar wird". Das neue Gesetz für die Riksbank, das Anfang 2023 in Kraft trat, gibt der Zentral bereits eine klarere und teilweise erweiterte Verantwortung für die Bargeldinfrastruktur in Schweden. Sie muss mindestens fünf über das Land verteilte Banknotendepots betreiben.

Mittlerweile hat der schwedische Gesetzgeber auch einige andere Banken verpflichtet, Bargeldstellen anzubieten, an denen Unternehmen und Vereine im ganzen Land ihre täglichen Einnahmen einzahlen können. Sie erfüllen diese Verpflichtung hauptsächlich über die Firma Bankomat AB. Die Riksbank wertet das als Fortschritt. Dieser reiche jedoch nicht, um sicherzustellen, dass Bargeld jederzeit verwendet werden könne.

Für den Münchner Finanzdienstleister Giesecke+Devrient (G+D) liefert der Bericht der Schweden auch gute Gründe für die Einführung einer zu Bargeld komplementären digitalen Zentralbankwährung, die die Vorteile von Scheinen und Münzen in der digitalen Welt abbildet. Die Riksbank arbeite weiter an der E-Krone als sogenannte Central Bank Digital Currency (CBDC) für Schweden. Im Euro-Raum treibt die Europäische Zentralbank (EZB) die Entwicklung des digitalen Euro voran.

Digitale Zentralbankwährungen gewährleisten bei einer eingeschlossenen Offline-Komponente laut G+D auch die Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit bei ausfallender Strom- oder Internetversorgung. Sie bildeten daher ein "gleichwertiges Pendant zu Bargeld". G+D-Chef Wolfram Seidemann begrüßt so das Statement aus Schweden: "Die schwedische Zentralbank hat erkannt, dass physisches Bargeld nach wie vor unverzichtbar ist. Wirtschaft und Gesellschaft brauchen die Koexistenz analoger und digitaler Zahlungsmittel, die sich gegenseitig ergänzen."

(vbr)