iX 3/2019
S. 114
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Kurz erklärt: Single-Pair Ethernet

Zwei auf Draht

Single-Pair Ethernet ermöglicht besonders einfache, günstige und robuste Verkabelungen. Jetzt sind auch die Steckverbinder genormt.

Ethernet entwickelt sich rasch in Richtung höherer Übertragungsraten. Gerade für Kupfer sind dafür immer anspruchsvollere Kabel und Steckverbinder notwendig. Ganz andere Anforderungen gibt es in der Automatisierungstechnik: Die Datenmengen sind verhältnismäßig gering, dafür zählen geringer Preis, Platzbedarf und Installationsaufwand.

Aus der Automobilindustrie stammen Entwicklungen, Ethernet über ein zweiadriges Kupferkabel zu realisieren, um CAN und andere Feldbussysteme zu ersetzen. Sie gehen auf das BroadR-Reach-Verfahren von Broadcom zurück, das einen Vollduplexbetrieb über ein Single-Pair-Kabel definiert. Sonst nutzt Ethernet zwei (100Base-TX) oder vier Doppeladern (1000Base-T).

Keep it simple

Der einfache Aufbau und die damit verbundene Reduktion von Gewicht und Platzbedarf von Single-Pair Ethernet (SPE) kommt den Anlagenbauern entgegen. Bisher verhinderte jedoch die fehlende Interoperabilität durch herstellerspezifische Entwicklungen auf der physischen Ebene eine schnelle Verbreitung. 2018 verabschiedeten aber die zuständigen Normungsgremien ISO/IEC entsprechende Standards, sodass ein verstärkter Einsatz in der Industrie zu erwarten ist. Sie beruhen nicht auf Neuentwicklungen in den Normungsgremien; vielmehr wurden bereits existierende Steckverbinder mehrerer Hersteller geprüft. Für die Industrie und industrienahe Anwendungen beschreibt IEC 61076-3-125 ein „Steckgesicht“, das auf einer Entwicklung der Firma Harting basiert. Für die Gebäudeverkabelung liegt ein CommScope-Stecker dem neuen Standard IEC 63171-1 zugrunde. Aufgrund der Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten wird es aber auch in Zukunft weitere herstellerspezifische Steckverbinder geben.

SPE-Steckverbinder für eine und für vier parallele Ethernet-Verbindungen jeweils in einer Gebäude- und einer Industrievariante Quelle: Weidmüller

Neue einpaarige Kabel für Single-Pair Ethernet definiert IEC 61156. Sie übertragen gegenwärtig bis zu 1 GBit/s. Ziel sind vor allem kleine Außendurchmesser sowie kleine Biegeradien und geringes Gewicht. Darüber hinaus kann aber auch eine vierpaarige Infrastruktur nach Kategorie 7 oder 7A genutzt werden, die sich in vier einzelne SPE-Kanäle aufteilt (Cable Sharing). Somit lassen sich bereits verlegte achtadrige Kabel effektiv nutzen, aber auch bei Neuinstallationen ist dies von Vorteil, wenn zahlreiche Sensoren auf engem Raum verbaut sind.

Eine weitere wichtige Anforderung ist die Stromversorgung von Endgeräten via Power over Data Line (PoDL). Hier greift der Standard IEEE 802.3bu. Er spezifiziert in Analogie zu Power over Ethernet (PoE) die parallele Bereitstellung von Energie bis zu 60 Watt über einpaarige Ethernet-Kanäle. PoDL funktioniert gegenwärtig nur mit den neuen zweiadrigen Kabeln nach IEC 61156. Bestehende Cat-7-Verbindungen sind hierfür nicht geeignet.

Auf den SPE-Leitungen geht es recht gemächlich zu. Fast Ethernet (100Base-T1) mit 100 MBit/s über eine Zweidrahtleitung wurde bereits 2015 als IEEE 802.3bw genormt und Gigabit-Ethernet (1000Base-T1) 2016 als IEEE 802.3bp.

Höhere Übertragungsraten sind aus technischer Sicht möglich, etwa für hochauflösende Kameras oder Displays. Deshalb hat das Plenum 802.3 des IEEE die Konstituierung einer 10GBase-T1 Working Group beschlossen. Welche Rolle Zwischenstandards für 2,5 und 5 GBit/s über ein Adernpaar spielen werden, ist noch offen.

Vordringlicher für die Industrie sind vorerst geringere Datenraten, wie sie auch die meisten Feldbusse liefern. Damit lassen sich noch günstigere Sensoren mit geringerer Leistungsaufnahme per SPE anbinden. Deshalb arbeitet das IEEE bereits an einer langsameren SPE-Variante mit 10 MBit/s (10Base-T1). Der entsprechende Standard P802.3cg befindet sich noch im Draft-Stadium; die Finalisierung ist für September 2019 vorgesehen.

Eine weitere Motivation hierfür liegt in der Erhöhung der maximalen Reichweite auf über 1000 Meter. Erst damit hat SPE das Potenzial, alle heute verwendeten Feldbussysteme auf lange Sicht vollständig abzulösen. Hierzu sind allerdings auch Weiterentwicklungen der anderen Ethernet-Protokolle nötig. Im Rahmen von Time-sensitive Ethernet (TSN) befinden sich gegenwärtig mehr als 20 IEEE-Standards in der Diskussion, die Ethernet echtzeitfähig machen sollen. (un@ix.de)