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Doppellaut

Test: Fiat 500

Fahrberichte Jessica Franz-von Ahn
Fiat 500

(Bild: Jessica Franz-von Ahn)

Der Fiat 500 ist seit geraumer Zeit der Bestseller der Marke. Kein Konkurrent ist so lange auf dem Markt, und Fiat war mit Aktualisierungen eher sparsam. Ist der Kauf des niedlichen Retroautos noch immer eine gute Idee? Kommt darauf an, was man vorhat, wie unser Test zeigt

Da steht er: Der erste Testwagen der heise/Autos-Redaktion in zartem Rosa. Stellaweiß heißt die Metalliclackierung des Fiat 500 in der aktuellen Ausstattungslinie „Star“. Niedlich wirkt er mit seinen runden Scheinwerfern und den Rundungen der Karosserie. Damit spielt das Auto sämtliche Vorurteile eines typischen Frauenautos aus.

Nett ist der Fiat 500 aber nicht nur von außen gestaltet. Auch innen wiederholen sich die Rundungen: Das Cockpit und auch die Knöpfe für Klimaanlage, Warnblinklicht und Eco-Modus sind bauchig geformt. Der verchromte Türöffner, eine Erinnerung an den Vorfahren aus den 1960ern, spiegelt Insassen schlanker als sie sind – sehr charmant. Selbst die Kopfstützen sind rund und lassen ein vollkommen durchgestyltes Auto erwarten.

Stilbrüche

Doch ein Blick auf den Rückspiegel enttäuscht: Das klobige Ding gleicht einem Ersatzteil eines Billiganbieters. Außerdem vibriert er beim Beschleunigen. Auch Türgriffe und Taster auf dem Navigationssystem durchbrechen den Eindruck, es mit einem perfekt designten Fahrzeug zu tun zu haben. Für Fahrerin oder Fahrer fehlt ein Spiegel in der Sonnenblende. Die Innenraumbeleuchtung erinnert an eine trübe Kellerfunzel. Die Armaturen sind aus billig wirkendem Plastik. Edel muten dagegen die Sitze aus einer hellen, teilweise gesteppter Vinyl-Stoff-Kombination an. Blinkerhebel und Kupplungspedal sind trotz filigraner Bauweise nicht abgebrochen. Das Bremspedal ist nicht für breite Füße und Gummistiefelträger gedacht.

Die Verarbeitung insgesamt gefällt, trotz der teilweise sehr einfachen Materialien. Nun kann man argumentieren, dass der 500 ein Kleinstwagen ist. Doch der Fiat verkauft seine Niedlichkeit so teuer, dass „Welpenschutz“ absolut nicht angebracht ist: Der Testwagen kam auf einen Listenpreis von mehr als 21.000 Euro – und er war nicht mit allem ausstaffiert, was möglich ist. Beispielsweise war ein festes Glasdach eingebaut. Das ist in der Ausstattungsvariante „Star“ Standard – und wie Hungern vor dem Feinkostladen. Eine Öffnungsfunktion kostet 500 Euro, wir würden das ordern.

Schmal, wendig, übersichtlich

Wie praktisch ein Kleinstwagen in Städten ist, zeigt sich insbesondere auf schmalen Straßen und in engen Parkplätzen: Eine Fahrzeugbreite von 1,63 m erlaubt Fiat-500-Fahrern selbst in schmalen Parklücken die Türen weit zu öffnen. Aufgrund der großen Pforten und der steilen A-Säule gestaltet sich das Ein- und Aussteigen recht bequem. Selbst Menschen von fast zwei Metern Größe können in dem kleinen Auto komfortabel sitzen: Der Bruder meines Kollegen Christian misst 1,98 Meter und bestätigt uns, dass das Fahrzeug mehr Bewegungsfreiheit bietet als sein bis 2018 gebauter BMW 3er Touring – und einen aufrechteren Einstieg.

Trotz der geringen Länge von 3,57 m bietet der Fiat ein erstaunlich gutes Raumgefühl und einen Kofferraum mit einem Volumen von 185 l. Klappkorb und Kühltasche passen problemlos hinein. Die geteilte Rücksitzbank lässt sich rasch umklappen und bietet so mehr Raum für größere Gegenstände. Der geringe Wendekreis gefällt mir gut, wie auch die Übersicht dank großer Fenster. Der Testwagen bietet eine Einparkhilfe hinten. Die 350 Euro dafür lassen sich aber sinnvoller einsetzen. Parksensoren vorne gibt es beim Fiat 500 nicht. Sie wären aber auch wirklich unnötig.

Funktional noch zu verbessern

Auch die Übersicht über Instrumente und Hebel ist gut gestaltet. Dennoch sollten sich Fahrer vor Fahrtantritt den Hebel für den Tempomaten einmal näher anschauen. Diesen verdeckt nämlich das Lenkrad, und seine Funktionen lassen sich nicht intuitiv ermitteln. Der Tempomat zeigt die gewählte Geschwindigkeit nicht an und in unserem Test gibt das Fahrzeug manchmal unbegründet Gas. Vermutlich ist noch eine alte Geschwindigkeit eingestellt. Dies lässt sich aber nicht überprüfen.

Auch das Antippen des Blinkers für zweimaliges Blinken benötigt etwas Gewöhnung. Einfach gestaltet ist der Interwallscheibenwischer, der lediglich eine Stellung bietet. Einen Regensensor bietet unser Testwagen nicht. Auch für das Licht sind lediglich zwei Stellungen vorgegeben: Licht an oder Automatik. Das optionale Xenon-Licht ist in einem Kleinstwagen ungewöhnlich, aber hervorragend.

Das Cockpit ist für Fahrer übersichtlich, da es wenige Informationen anzeigt. Das ist besser gelöst als beim Modell vor dem 2016er-Facelift, bei dem Tacho und Drehzahlmesser in einer Anzeige verschmolzen waren. Der Schalthebel befindet sich auf angenehmer Höhe. Nur beim Griff zur Handbremse ist rasch einmal der Hebel für die Sitzverstellung gegriffen.

Die Ablagen für das Smartphone und Becher vorn sowie hinten sind prima, doch für Portemonnaie und Haustürschlüssel gibt es keinen geeigneten Platz. Diese Utensilien müssen in Handtasche, Rucksack oder Manteltasche verweilen.

Navi für 400 Euro Aufpreis

Doch zurück zum Fiat 500: Da Käufer sicherlich oftmals alleine in diesem kleinen Auto sitzen werden, wäre es sinnvoll gewesen, hätte Fiat das 7-Zoll-Display um wenige Grad in Richtung des Fahrers geneigt. Oft zeigen sich nämlich Spiegelungen auf dem Bildschirm. Auch die recht kleine Schrift bemängelten einige Fahrer. Das Display wäre jedenfalls locker ausreichend für größere Buchstaben. Dafür ist das Kombiinstrument viel übersichtlicher als vor der 2016er-Modellpflege. Bei aller Kritik: Das Navi kostet vergleichsweise faire 400 Euro, inklusive Verkehrsdaten von Tomtom, DAB+ sowie Android Auto und Apple Carplay. Das bieten andere Hersteller nicht einmal für den dreifachen Preis. Während unseres Tests ist das Display einmal ausgefallen. Die Touchfläche war dennoch aktiv, da Wechsel von Radio zu Medien auf USB-Stick über Touch möglich war. Auch die Navi-Einblendungen im Cockpit funktionierte. Nach zehn Minuten Fahrt startete schließlich Display wieder.

Ein halbtransparenter Stoff ist unter das große Glasdach gespannt und lässt sich manuell ein- und ausrollen. Das Verdunkeln verbessert die Ablesemöglichkeiten des Navi-Displays an sonnigen Tagen. Dann fällt auf, dass ab etwa 24 Grad Celsius Außentemperatur die Klimaanlage spürbar Mühe hat, den Innenraum angenehm zu temperieren. Die Automatikfunktion der Klimaautomatik lässt sich nur zusammen mit der eingeschalteten Klimaanlage nutzen.

Rappelkiste bis 100km/h

Gleich beim ersten Start des Autos zeigt sich, dass es auch für diese Fahrzeugklasse eher rappelig ist. Manch einer mag das unter Nostalgie verbuchen oder auch als nette Erinnerung an den ersten Fiat 500. Beim Beschleunigen kommen aber derweil Zweifel, ob der Auspuff noch ganz dran ist. Unter 2200/min wirkt das Fahrzeug untertourig, ab 2500 Umdrehungen wünscht der Fiat bereits den nächsten Gang, spätestens ab 3500 schließt sich der Fahrer diesbezüglich an. Bis 160 km/h steigt zwar die Lautstärke, das gefällt mir aber besser als die Unruhe unterhalb 100 km/h.

Zäh fühlt sich der Twin Air-Motor dann erst wieder oberhalb von 5000/min an. Zwischen 2200 und 5000/min bietet die kleine Maschine abseits vom Eco-Modus ein ordentliches Temperament, 63 kW (85 PS) sind absolut ausreichend für reichlich Fahrspaß. Der Antrieb ist nicht neu, aber immer noch modern dank variabler Steuerzeiten: Seit 2010 setzt Fiat die "MultiAir" genannte Ventilsteuerung in seinen Motoren ein. 2009 haben wir über die (teil)elektrohydraulische Steuerung MultiAir [1] berichtet. Auf dem Genfer Autosalon 2020 will Fiat den 500 erneut mit Elektroantrieb und als Mild-Hybrid präsentieren.

Zäh im Eco-Modus

Drei Kollegen kamen im Fiat 500 auf unterschiedliche Verbrauchswerte. Im Eco-Modus und umsichtiger Fahrweise haben wir einen minimalen Verbrauch von 4,4 Litern Benzin auf 100 km erreicht. Im normalen Modus erreichte der nächste auf der Autobahn mit Geschwindigkeitsbegrenzung und zahlreichen Baustellen einen Verbrauch von 5,0 Litern, bei flotter Fahrt auf Landstraßen schluckte der Fiat 5,6 bis 5,8. Der dritte verbrauchte 4,8 Liter mit großem Stadtanteil, darunter ist er nicht gekommen.

Realistisch scheint jedoch ein Verbrauch von etwas mehr als 5 Litern, denn es ist nur schwer vorstellbar, dass Fahrer den Eco-Modus oft nutzen. Die Funktion lässt jegliches Fahrvergnügen missen. Einziger Vorteil – zusätzlich zum etwas geringeren Verbrauch – ist das fehlende Vibrieren des Rückspiegels bei Beschleunigungen. Doch der Antriebsstrang wirkt im Eco-Modus arg lustlos und zäh. Etwas übergriffig erscheint, dass er bei jedem Start wieder aktiv ist.

Es mag Menschen geben, die das Zweizylinder-Rappeln einfach lieben. Dann kann das Brausen über Landstraßen und in den Bergen mit Sicherheit viel Spaß machen. Das Getriebe lässt sich gut schalten. Den Geradeauslauf bewerteten alle Fahrer hingegen als schlecht, das Auto wirkt stets unruhig, der Fahrer ist immer etwas mehr gefordert als beispielsweise in einem VW Up.

Spätestens nach zwei Stunden Fahrt zeigt sich, dass die schicken Sitze unbequem sind. Die Sitzfläche ist selbst für Frauen mit Kleidergröße 38 etwas zu schmal. Dass bei längeren Reisen die Beine einschlafen, verhindert auch die Sitzverstellung nicht. Der Sitz lässt sich lediglich nach vorne sowie hinten verschieben, die Sitzfläche ein wenig kippen. Ein weiterer Höhenverstellbereich wäre sinnvoll. Negativ fällt bei längeren Fahrten auch die harte Federung auf. Der Testwagen war mit 16-Zoll-Felgen und einer 45er-Flankenhöhe ausgestattet. Möglicherweise bringt hier der Umstieg auf eine andere Rad-Reifenkombination Besserung. In dieser Form ist der Fiat 500 – wie viele andere Kleinstwagen auch – kein ideales Auto für sehr lange Strecken.

Alternativen

Alternativen zum Fiat 500 gibt es reichlich. Volkswagen bietet ein Trio an, bestehend aus VW Up (Test) [2], Seat Mii (Test) [3] und Skoda Citigo. Hyundai hat mit i10 [4] und Kia Picanto [5] eine andere Zielgruppe als Fiat im Visier. Sie alle eint, dass sie erheblich günstiger als der Fiat sind. Auch der Smart gehört sicher zu den Konkurrenten des 500. Für den Preis des Testwagens lässt sich problemlos auch ein gut ausgestatter Seat Ibiza (Test) [6] zusammenstellen, der zwar weniger Charme hat, dem 500 abseits dessen aber in allen praktischen Belangen überlegen ist.

Vom Zweizylinder zum E-Antrieb

Das Schnattern des Zweizylinder findet man entweder charmant oder zum Weglaufen. Wer einen Fiat 500 kauft, der tut dies vermutlich vorwiegend aus optischen Gründen – das Fahrzeug ist einfach niedlich. Auch der Innenraum ist trotz einfacher Materialien und wenigen Stolpersteinen beim Design stilvoll gestaltet. Doch der Komfort ist dürftig, auf langen Strecken nerven das hohe Geräuschniveau und die unbequemen Sitze irgendwann. Fiat hat angekündigt, auf dem Genfer Autosalon 2020 seinen Kleinstwagen mit Elektroantrieb vorzustellen. Wir sind gespannt, wie sich eine Fahrt in dem Auto ohne seinen typischen Zweizylinder-Klang so anfühlt.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Die-MultiAir-Ventilsteuerung-von-Fiat-454455.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-VW-e-Up-4523711.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Seat-Mii-1-0-Ecofuel-3087682.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-Hyundai-i10-4512932.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Kia-Picanto-1-2-3665787.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Seat-Ibiza-1-0-EcoTSI-Style-3889096.html