Jahrhundertwerk​: 100 Jahre BMW Motorrad, Teil eins

Seite 2: 100 Jahre BMW Motorrad, Teil eins

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Nach den schlechten Erfahrungen mit der R 39 wollte BMW als Premiumhersteller eigentlich keine Einzylindermodelle mehr bauen, doch zwei Ereignisse bewegten die Marke zum Umdenken: Zum einen galt ab 1928 eine neue Verordnung, die Motorräder bis 200 cm3 führerschein- und steuerfrei machte. Zum anderen zwang der große Börsen-Crash im Oktober 1929 viele Motorradhersteller in die Knie. Auch BMW hatte Probleme, seine teuren Modelle zu verkaufen. So konstruierte BMW die R 2 mit einem 198-cm3-Einyzlinder, der sechs PS leistete und in einem Pressblechprofilrahmen saß. Im Gegensatz zu anderen Marken, setzte BMW weiterhin auf Viertakter anstatt auf simplere Zweitakter. Auch der Wellenantrieb des Hinterrads wurde beibehalten. Das günstige Einstiegsmodell R 2 wurde bald zum Verkaufserfolg. Ab 1932 ergänzte BMW sein Programm um die R 4 mit einem 398-cm3-Einyzlinder, der auf zwölf PS kam.

1935 präsentierte BMW die R 12 und die R 17 mit modifizierten 750er-Boxermotoren. Sie hatten weiterhin Pressblechprofilrahmen, glänzten jetzt aber als erstes Serienmotorrad der Welt mit einer ölgedämpften Teleskopgabel am Vorderrad. Allerdings hatten sie immer noch einen starren Heckrahmen, während diverse englische Motorräder bereits mit Hinterradfederungen verkauft wurden.

100 Jahre BMW Motorrad (8 Bilder)

Der Boxermotor der R 5 hatte 494 cm3 und leistete 24 PS. Sie besaß nun ein Vierganggetriebe, dessen Gänge über eine links angebrachte Fußschaltung gewechselt wurden.
(Bild: BMW)

Doch die Zeiten verdüsterten sich. Nach der Machtergreifung 1933 drängten die Nazis BMW ein Motorrad zu bauen, das die deutsche Überlegenheit auf der Rennstrecke demonstrieren sollte. Das Ergebnis war 1935 ein 500er-Boxermotor mit Kompressoraufladung und von Königswellen angetriebenen, obenliegenden Nockenwellen, nun wieder in einem Stahlrohrrahmen. Die BMW schlug sich wacker, holte aber erst 1936 den ersten Sieg. Ingenieur Rudolf Schleicher hatte Großes mit ihr vor und kapselte die Kompressor-BMW in eine stromlinienförmige Verkleidung, aus der nur die unteren Teile der Räder ragten. Damit stellte Ernst Henne auf der abgesperrten Autobahn Frankfurt – Darmstadt mit 254,046 km/h einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord auf. 1937 steigerte er ihn sogar auf 279,503 km/h – ein Rekord, der 14 Jahre lang Bestand haben sollte. Im gleichen Jahr erschien die erste BMW mit Hinterradfederung. 1939 holte Georg (Schorsch) Meier auf der Kompressor-BMW als erster Ausländer den Sieg bei der Senior TT Isle of Man.

Auch in der Serienproduktion tat sich einiges: 1936 kam mit der R 5 nicht nur eine Nachfolgerin der R 17, sondern ein komplett neues Motorrad. Ein Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr ähnlich dem der 500er-Kompressor-Rennmaschine ersetzte den Pressstahlrahmen. Ihr Boxermotor mit 494 cm3 leistete 24 PS. Sie war mit 165 kg deutlich leichter als die R 17 und besaß nun ein Vierganggetriebe, dessen Gänge über eine links angebrachte Fußschaltung gewechselt wurden. Die R 5 erwies sich als handlich und sportlich, zudem erreichte sie 135 km/h Höchstgeschwindigkeit. Sie war nicht nur sehr elegant, sondern auch noch günstiger als die Vorgängerin, kein Wunder dass sie zum Verkaufserfolg wurde. Die R 5 legte den Grundstein zu einer sehr erfolgreichen Baureihe. Danach kamen in rascher Reihenfolge die R 6 mit 596 cm3, ab 1938 die R 51 als Ersatz für die R 5 und die R 61 als Nachfolgerin der R 6. Die R 20, R 23 und R 35 mit Einzylindern stellten die günstigen Einsteigermodelle von BMW. 1939 erreichte die Produktionszahl bei BMW den Rekord von 21.667 zivilen Motorrädern.

Im Zweiten Weltkrieg musste BMW Motorräder für die Wehrmacht fertigen. Die R 75 war ein Gespann, das nach militärischen Vorgaben entwickelt worden war, sie hatte Seitenradantrieb, Sperrdifferenzial, Geländeübersetzung und einen Rückwärtsgang. Bis März 1944 entstanden rund 18.000 R 75, nicht wenige davon von etwa 1000 russischen Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter in den BMW-Werken in München und Eisenach.

Nach Ende des Kriegs wurde Kurt Donath, der kein NSDAP-Mitglied gewesen war, neuer BMW-Vorstand. Da BMW auch Flugzeugmotoren für die Luftwaffe produziert hatte, waren die Fabriken zerbombt. Nach der Währungsreform 1948 stellte sich heraus, dass das Deutsche Reich BMW 63,5 Millionen Mark schuldete. Das Geld erhielt das Unternehmen und beschloss, wie bereits nach dem Ersten Weltkrieg, sein Überleben durch den Bau von Motorrädern zu sichern.

Weil es deutschen Herstellern 1947 nicht gestattet war, Motorräder mit mehr als 250 cm3 zu bauen, beschloss BMW ein neues Motorrad auf Basis der einzylindrigen R 23 zu entwickeln. Da die Sowjets alle Konstruktionszeichnungen einkassiert hatten, musste erst eine R 23 komplett zerlegt und vermessen werden. Die 1948 präsentierte R 24 hatte einen neuen Zylinderkopf mit höherer Verdichtung und Leistung sowie einen Stahlrohrrahmen mit starrem Heck und gedämpfter Teleskopgabel. Ein verchromter Fischschwanz-Auspuff wertete die R 24 optisch auf, und obwohl sie das teuerste deutsche Motorrad war, stellte sich der Erfolg umgehend ein: Im ersten Baujahr verkaufte BMW 9400 Stück der R 24, bis 1950 wuchs die Zahl auf 12.020 an. Danach wurde sie von der R 25 abgelöst, die einen überarbeiteten Motor und vor allem eine Hinterradfederung aufwies. Deutschland lechzte nach Mobilität und die Produktion wuchs rasant: In zwei Jahren wurden 23.400 R 25 hergestellt.

Als 1949 die Alliierten das Hubraumlimit aufhoben, ließ BMW den Boxer wieder aufleben. Für eine Neuentwicklung fehlte das Geld, daher modifizierte man die R 51 leicht und taufte sie 1950 auf R 51/2. Die hohe Inlandsnachfrage ermutigte BMW 1951, den Export vor allem nach Großbritannien und den USA wieder aufzunehmen. Die im gleichen Jahr präsentierte R 25/2 wurde zum Verkaufsschlager, innerhalb von nur zwei Jahren kam der Einzylinder auf eindrucksvolle 38.651 Stück, die darauffolgende R 25/3 wurde innerhalb von drei Jahren sogar 47.700-Mal verkauft. Dank der Gewinne konnte BMW auch die Entwicklung wieder hochfahren, so glänzte die R 51/3 im Jahr 1951 mit einem neu konstruierten Motor und erhöhter Zuverlässigkeit. Ihr genügte eine zahnradgetriebenen Nockenwelle über der Kurbelwelle statt der beiden in der BMW R 51/2, die über eine Kette angetrieben wurden. Fun Fact: Wie bei der allerersten BMW betrugen Bohrung und Hub immer noch je 68 mm. Auch sie verkaufte sich mit 18.420 Exemplaren sehr gut.

1952 wollte BMW beweisen, dass sie wieder ganz oben mitspielen und stellten mit der R 68 ihr sportliches Flaggschiff vor. Der 35 PS starke Boxer erreichte als erste Serien-BMW 100 Meilen pro Stunde (160,9 km/h) – die "magic ton" war für die Briten und Amerikaner ein überzeugendes Kaufargument. Um ihre Schlagkraft zu beweisen, schickte BMW sein Werksteam mit sechs R 68 (darunter zwei mit Seitenwagen) zur Internationalen Sechstagefahrt und gewann souverän, sowohl in der Solo-, als auch in der Gespannklasse. Auf der TT Isle of Man nahm das 253 genannte Rennmotorrad erstmals mit einer mechanischen Einspritzung von Bosch teil. Der Motor verfügte wie schom Mitte der 1930er-Jahre über obenliegende Nockenwellen mit Königswellenantrieb. Diese Entwicklung mündete 1954 in die RS 54, von der nur 24 Stück ausschließlich für den Rennsport gebaut wurden. BMW konnte schon auf eine lange Tradition im Gespannbau zurückblicken, doch mit der RS 54 brach eine Ära der Dominanz an: Zwischen 1954 und 1974 holte BMW in der Seitenwagen-WM 19-mal den Titel in Folge.

In den 1950er Jahren setzte das deutsche Wirtschaftswunder ein und das bekamen alle Motorradhersteller zu spüren. Die Leute wollten und konnten sich Autos leisten und die Industrie lieferte günstige Viersitzer wie den Volkswagen. BMW versuchte mangels einer eigenen Antwort auf die Nachfrage nach "richtigen Autos" mit dem Kleinstwagen Isetta auf technischer Basis der BMW R 25/3 das Beste aus der Verbindung von Auto und Motorrad zu machen, zielte damit aber zu niedrig für den Automarkt. 1957 produzierte BMW nur noch 5429 Motorräder.

Die bayerische Marke überarbeitete ihre Modelle behutsam, die R 50 und die R 69 unterschieden sich nur geringfügig von den Vorgängerinnen, auch wenn die R 69 nun eine Langschwinge am Vorderrad aufwies, die das Abtauchen bei Lastwechsel weitgehend verhinderte.

(fpi)