Nicht nur fürs Bad

Layer, Masken und Auswahlen, im letzten Heft vorgestellt, sind die Basis, um Gimps Filter sinnvoll anzuwenden. Der zweite Teil der Serie beschreibt ihren Einsatz zur Erstellung von Mustern für eigene Hintergründe auf Webseiten, Terminalfenstern und in Window-Managern.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Susanne Schmidt
Inhaltsverzeichnis

Kacheln (‘Pattern’) sind kleine Bildstücke, die nebeneinandergesetzt den Hintergrund ausfüllen. Eine Kachel für die Webseite speichert man im JPEG- oder GIF-Format und bindet sie mit dem HTML-Tag <BODY BACKGROUND="bild.gif"> in die Seite ein. Je nach Breite und Höhe des Bildes setzt der Browser die rechteckigen Kacheln nebeneinander und füllt damit den Hintergrund. Gimp arbeitet ebenso - eine Kachel füllt das Bild so oft wie erforderlich. Unter X können Kacheln (dort ‘Pixmap’ genannt) den Hintergrund einiger Terminal-Varianten oder des Root-Window bilden. Das Prinzip ist immer dasselbe: Das Programm plaziert die Seitenkanten der Kachel stur nebeneinander.

Ein eigenes, neues Pattern in Gimp legt man im Verzeichnis ~/.gimp/pattern/ ab und öffnet danach den entsprechenden Dialog (‘File/Dialogs/Pattern’) neu. Zur Speicherung einer neuen Kachel ruft man im Kontextdialog ‘File/Save as’ auf und wählt als Dateiformat ‘PAT’. Damit steht sie dem Pattern-Dialog in Gimp zur Verfügung.

Nicht jedes Bild eignet sich als Muster. Innerhalb von Gimp läßt sich die Eignung einer Vorlage dafür leicht prüfen: Bild öffnen (‘File/Open’) und im Kontextmenü ‘Filter/Map/Tile’ wählen. Im sich dann öffnenden Dialog sollte ‘Constrain Size’ gedrückt sein. Für die Breite kann man nun einfach das Doppelte des vorgegebenen Werts eintragen, die Höhe paßt Gimp automatisch an. In vielen Fällen dürfte das Ergebnis nicht überzeugen - die Übergänge stimmen nicht, es entsteht kein gleichmäßiger Bildeindruck, sondern die einzelnen Kacheln sind weiterhin klar erkennbar. Diese Übergänge verschwinden zu lassen ist Hauptziel bei der Erstellung eigener Muster.

Ausgangspunkt für eigene Experimente mit Kacheln sollten einfache geometrische Formen sein (Abb. 1).

Dieser Ausschnitt stammt aus einer nicht bearbeiteten Kachel, die Lücke ist deutlich zu erkennen (Abb. 2).

Filters/Distorts/Whirl and Pinch’ erzeugt einen Strudel (Abb. 3).

Mit ‘Filters/Map/Seamless’ entsteht das fertige Muster, bei dem Original und Endprodukt sich durchdringen (Abb. 4).

Ausgangspunkt dafür sollten relativ einfache geometrische Formen sein, beispielsweise ein grün gefülltes Quadrat vor einem schwarzen Hintergrund mit zwei unsauberen Diagonalen in blau (s. Abb. 1). Das Quadrat erstellt man mit der Rechteckauswahl bei gedrückter Shift-Taste. Zum Malen der Linien dient der Stift in der Toolbox, dessen Eigenschaften im Dialog ‘File/ Dialogs/Brushes’ zugänglich sind.

Auf dieses Bild wendet man nacheinander unterschiedliche Filter an, die Schritt für Schritt eine nahtlose, saubere Kachel erzeugen. ‘Offset’ und das erwähnte ‘Tile’ sind dafür die Basiswerkzeuge. Im Kontextmenü findet man unter ‘Image/Channel Ops’ den Filter ‘Offset’. Der dazu gehörende Dialog dient unter anderem dazu, Layer und Auswahlmöglichkeiten punktgenau zu bewegen. Die Option ‘Offset by x/2, y/2’ verschiebt ein Bild so, daß der Kacheleffekt nahtlos erscheint. Der Filter halbiert die Bildseiten und dreht die entstehenden Viertel. Erst die Option ‘Wrap-Around’ ermöglicht die Pattern-Herstellung. Ist sie eingeschaltet, rotiert der Filter jede Außenkante um 180 Grad, so daß diese innen liegt. Der frühere Mittelpunkt des Bildes befindet sich danach an den Ecken. Jetzt kann man die Musterenden in den Ecken und an den Außenkanten eines Bildes (die nun innen liegen) nachbearbeiten, um glatte Übergänge zwischen den Kacheln zu erzielen.

Im Zentrum des Bildes (s. Abb. 2) sieht man die Fehlstelle deutlich: Mit Offsetfilter landet der Mittelpunkt des Bildes außen. Da er keine Ränder und Kanten hat, fügt er sich beim Kacheln des Bildes an den Außenkanten wieder sauber zusammen. Ohne die Anwendung des Offset bleiben die Ecken eines Bildes unverändert - jede Ungenauigkeit der blauen Linie ist deutlich zu erkennen. Mit dem Strudelfilter ‘Filters/Distorts/Whirl and Pinch’ kann man die blauen Linien verdrehen und das Quadrat zusätzlich verzerren (s. Abb. 3). Dabei entstehen unter Umständen am Rand weiße Lücken.

Als Ergänzung wendet man jetzt ‘Filter/Map/Tile’ aus dem Kontextmenü an. Dieser Filter erstellt ein gekacheltes Bild und erlaubt dadurch eine Nachbearbeitung der Kanten. Hier erscheint die beim Drehen entstandene weiße Linie am Rand deutlich sichtbar. Zum Säubern der Seitenkanten dient das Clone-Tool. Dieser kleine Stempel in der Toolbox malt mit Bildkopiestückchen statt mit Farbe. Mit gedrückter Ctrl-Taste und linkem Mausklick wählt man den Startpunkt des geklonten Bildstückchens aus. Danach verschiebt man die Maus ohne gedrückten Knopf an die Zeichenposition. Beim nächsten Druck auf den Mausknopf erscheint ein kleines Kreuz an der Stelle, deren Kopie zum Malen benutzt wird. Der Abstand zwischen Kreuz und Zeiger bleibt beim Bewegen der Maus mit gedrücktem Knopf konstant, der Zeiger malt, und das Kreuz bestimmt die Farbe. Größe und Form des erzeugten Farbflecks stellt man vorher mit ‘File/Dialogs/Brushes’ ein.

Das Clone-Tool hilft beim Füllen von Bildlücken oder beim Retuschieren von Bildsegmenten. Mit ihm beseitigt man Lücken in einem Blättermuster oder Unebenheiten in einem Gesicht, indem man die fehlerhaften Stellen durch Kopien aus der Umgebung ergänzt. Beim Arbeiten mit diesem Werkzeug sollte der gewünschte Ausschnitt stark vergrößert sein, um unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden.

Zum Schluß wendet man zur Verschönerung ‘Filters/Map/Make Seamless’ an: Er legt das Bild mit und ohne Offset so übereinander, daß abwechselnd der ursprüngliche Mittelpunkt und der des Offset transparent zentriert erscheinen. So entsteht aus einem hingeschlurten Quadrat die erste Kachel, die ein verschlungenes, maschenartiges Muster zeigt.

Der Erstellung von Kacheln sind in Gimp keine Grenzen gesetzt - beinahe jeder Verfremdungs-, Störungs- oder Farbfilter kann auf Teile oder Schichten der Kachel oder die ganze Kachel angewendet werden. Man muß allerdings im Kopf behalten, daß die Kachelerstellung auf saubere Bildränder angewiesen ist: Jeder Filter, der die Ränder des Bildes beeinflußt, erfordert Nachbearbeitungsschritte.

Alle Gimp-Filter, die man zur Verfremdung oder Nachbearbeitung von Bildern verwenden kann, finden sich im Kontextmenü ‘Filters’. Sie lassen sich grob klassifizieren:

  • Störungs- oder Bewegungsfilter wie ‘Blur’ (Weichzeichner), ‘Spread’ (Streueffekt), ‘Wind’ (in eine Richtung geblasene Pixel) oder ‘Whirl’ (Strudel) wirken nur auf die Pixel und tasten ihre Farben nicht an.
  • Farb- beziehungsweise Kanalfilter wie ‘Curves’ (zum Manipulieren der Farbkurven), ‘Brightness-Contrast’ (Helligkeits- und Kontrastwerte des Bildes bearbeiten) oder ‘Decompose’ (ein Bild in seine Kanäle aufteilen) verändern nur Farbinformationen.
  • Künstlerische und Effektfilter modifizieren ein Bild oftmals stark. Mit ‘Cubism’ etwa zaubert man eine Art kubistisches Gemälde. ‘Mosaic’ liefert den allseits bekannten Mosaikeffekt.
  • Für mathematisch begabte Anwender bieten die Render-Filter eine unerschöpfliche Spielwiese: ‘CML explorer’ und seine Kollegen manipulieren Farbwerte oder Pixelplazierungen auf Basis mathematischer Funktionen. Das Ergebnis ähnelt dem, was man von Fraktalen kennt.
  • Viele Filter arbeiten mit aufeinander geschichteten Bildern und benötigen für ein ansprechendes Ergebnis zwei oder mehr Bilder. ‘Bump Map’ ist ein Klassiker aus diesem Bereich: Ein Bild dient als Basis und ein weiteres als ‘Karte’, die auf das erste Bild plaziert wird. Die beiden verschmelzen so, daß ein Bild für das andere als Schattendefinition fungiert und eine reliefartige Struktur erzeugt.

Bei allen Filtern bleibt zu beachten, auf welchen Bildbereich sie wirken können: Betrifft ein Filter nur den aktiven Layer? Müssen Layer zunächst miteinander verbunden werden? Wirkt der Filter nur auf ein bestimmtes Farbmodell? Kann man den erzielten Effekt in einem Bild überhaupt im Zielformat speichern? Ist für einen speziellen Effekt vielleicht ein zweites Bild erforderlich? Spätestens, wenn man eines der Skripte aus dem ‘Script-Fu’-Dialog benutzt und der Effekt wieder verschwinden muß, weil er den Erwartungen nicht entspricht, hätte man vermutlich gerne vorher gewußt, daß jeder Scriptschritt ein Bearbeitungsschritt ist. Und mehr als zehn Schritte rückgängig machen - das hätte man vorher einstellen müssen …

Wer sich inspirieren lassen möchte, findet auf [2] eine reichhaltige Auswahl an Pattern, die teilweise mit Povray gerendert und dann mit Photoshop nachbearbeitet wurden.

SUSANNE SCHMIDT
ist Politologin und arbeitet als freie Perl-Programmiererin

[1] Susanne Schmidt, Christian Kirsch; Schicht für Schicht; Gimp-Tutorial, Teil 1

[2] Truman Brown; Texture World

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