Portfolio Tobi Müller – Eine Ruhrpott-Dystopie

Analogfotografie aus dem Ruhrgebiet: Keine Menschen, dichter Nebel und dystopische Atmosphäre charakterisieren die Bilder von Tobi Müller.

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Hauptbahnhof Duisburg Contax G1 | Carl Zeiss 45 mm f/2.0 | Kodak Portra 400

(Bild: Tobi Müller)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Menschenleere Bahnsteige, dazwischen zwei Gleise, ein Flachdach und eine eigenwillige Konstruktion aus grauen Stahlträgern und schmutzigem Glas, im Hintergrund dichter Nebel – ein atmosphärisches Bild mit einer bestimmten Tristesse. Viele Bilder von Tobi Müller haben diesen melancholischen Unterton, der sich zum einen aus seiner Motivlandschaft, dem Ruhrgebiet, ergibt und zum anderen aus der Körnigkeit und Farbigkeit seiner analogen Fotos.

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Tobi Müller fotografiert am liebsten analog.

(Bild: Tobi Müller)

Der analoge Look ist das, was Müllers Bilder ausmacht: die Farben, das Korn und die Kontraste, die hervorragend zu seiner Motivwelt passen. Dabei ist die Analogfotografie für ihn aus mehreren Gründen etwas Besonderes. Zum einen hat sie etwas sehr Organisches. Es ist nicht nur das haptische Erlebnis, den Film einzulegen, zu fotografieren, zu spannen und so weiter, sondern auch das analoge Bild, also der Film mit seinem Korn und seinen natürlichen Farben, das ihn begeistert. Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Begrenztheit der analogen Fotografie – auf einen Kleinbildfilm passen etwa 36 Bilder, auf einen Rollfilm nur zwölf oder weniger. Im Gegensatz zur Digitalfotografie, die fast grenzenlos erscheint, möchte man kein Bild unüberlegt schießen, denn jedes kostet viel Geld. Zudem gibt es für Müller in der Analogfotografie auch ein Spannungsfeld zwischen zwei Polen, das er wie folgt beschreibt: "Diese Art zu fotografieren strahlt sowohl Ruhe als auch Lebendigkeit aus. Danach sehnen sich, glaube ich, allgemein viele Menschen, deswegen stirbt auch die Schallplatte nicht." Dieser Vergleich mit anderen analogen Techniken wird gerne gezogen, insbesondere der zum Vinyl und seinem Hype der vergangenen Jahre ist häufig zu hören.

Hauptbahnhof Duisburg
Contax G1 | Carl Zeiss 45 mm f/2.0 | Kodak Portra 800

(Bild: Tobi Müller)

Müller fand 2019 zur Fotografie, als er sich seine erste analoge Kamera kaufte. Dann kam die Corona-Pandemie und er hatte viel Zeit zum Spazierengehen, natürlich immer mit der Kamera, sodass sich das Fotografieren allmählich zu seiner großen Leidenschaft entwickelte. In dieser Zeit hat ihm Social Media, speziell Instagram, geholfen, seine Fotografie voranzutreiben. Aber auch die analoge Fotografie als Szene habe von Instagram profitiert, da es eben keine Ausstellungen, keinen persönlichen Austausch und keinen Ort gab, an dem man sich hätte vernetzen können. So ist es nicht verwunderlich, dass auch wir über Instagram auf Tobi Müller und seine Bilder aufmerksam wurden – dort heißt er "geldbier".

Hauptbahnhof Duisburg
Contax G1 | Carl Zeiss 45 mm f/2.0 | Kodak Pro Image 100

(Bild: Tobi Müller)

Auch die analoge Kameratechnik vergangener Zeiten begeistert Müller. Bereits einfache Kameras und Objektive erweitern die kreative Freiheit. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er ganz unterschiedliche Modelle in seiner Fotoausrüstung hat: Seine erste analoge Kamera war eine Rollei XF35, eine simple Kompaktkamera mit Messsucher, die zwischen 1976 und 1980 hergestellt wurde. Als "Immer-dabei-Kamera" nutzt er eine Olympus mju II, die 1996 auf den Markt kam und als Point&Shoot-Kamera nicht nur wegen ihres schnellen Autofokus und des scharfen Objektivs in letzter Zeit einen regelrechten Boom erlebt hat. Müllers Lieblingskamera ist jedoch die Contax G1 mit einem 45-mm-2,0-Zeiss-Objektiv. Diese analoge Messsucherkamera mit Autofokus kam 1994 auf den Markt. Sie ist bei vielen Analogfotografen wegen ihrer hervorragenden Optik, ihres auffälligen Designs und ihrer guten Bedienbarkeit äußerst beliebt. Als Mittelformatkamera dient ihm eine Mamiya 645E, die von 2000 bis 2006 als Einsteigerkamera hergestellt wurde und Bilder im Format 6 × 4,5 cm aufnimmt. Was die Filme betrifft, so hat Müller schon viele ausprobiert und verwendet, meistens die, die gerade auf dem Markt sind. Sein Lieblingsfilm jedoch ist der Portra 800 von Kodak, den er trotz des Preises von inzwischen 19 Euro pro Film gerne nutzt.