Online-Demokratie: EU-Rat fordert schärferes Vorgehen gegen Fake Accounts

Die EU-Kommission soll einen Instrumentenkasten für die Verifizierung von Konten für soziale Netzwerke entwickeln, um Nutzer besser vor Schaden zu schützen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 38 Kommentare lesen
Illustration,Of,Businessman,Without,Face,Choosing,The,Right,Mask,To

(Bild: fran_kie / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Die für Telekommunikation und Digitalisierung zuständigen Minister der EU-Länder debattierten am Freitag bei ihrem informellen Treffen im belgischen Neu-Löwen (Louvain-la-Neuve) hauptsächlich über Lösungen, um die Cybersicherheit und die Verfügbarkeit digitaler Infrastrukturen zu verbessern. Dabei machten sie gefälschte Profile in sozialen Netzwerken als große Bedrohung für die Online-Demokratie aus. Der Telekommunikationsrat forderte die EU-Kommission mit der Louvain-la-Neuve-Erklärung daher auf, einen Werkzeugkasten zu entwickeln, um einfacher gegen Fake Accounts vorgehen und verifizierte Alternativen schaffen zu können.

Enthalten sein könnten optionale Tools wie standardisierte Signaturen zur Kennzeichnung von Konten, erklärte die belgische Ratspräsidentschaft nach der Sitzung. Solche Instrumente sollen es Plattformen ermöglichen, "Informationen über die Richtigkeit der Profile bereitzustellen, mit denen wir in der digitalen Welt interagieren". Nutzer könnten so einfacher ausmachen, ob sie Beiträgen eines Kontos Vertrauen schenken dürften. Die Mitgliedsstaaten signalisierten laut dem Vorsitz generell ihre Entschlossenheit, "ihre Bürger, insbesondere junge Menschen, vor schädlichen Online-Inhalten zu schützen". Der Erklärung zufolge sollen Plattform-Betreiber auch dazu angehalten werden, "suchterzeugende Designs" zu reduzieren oder effiziente Kindersicherungs- und Alterskontrollen zu implementieren. Für Letztere gibt es Experten zufolge aber noch keine demokratisch vertretbaren Ansätze.

"Falsche Profile sind die Ursache digitaler Bedrohungen wie Phishing, die Verbreitung von Desinformation und Cyber-Stalking", betonte der belgische Staatssekretär für Digitalisierung, Mathieu Michel. "Die Louvain-la-Neuve-Erklärung ebnet den Weg für mehr Online-Demokratie und einen besseren Schutz für die Schwächsten wie Kinder". Sie gebe Nutzern und Plattformen die Möglichkeit, zwischen einem gefälschten, einem verifizierten, überprüfbaren oder einem bewusst anonym gehaltenen Account zu unterscheiden. Damit will die Politik laut dem Co-Vorsitzenden des Telekommunikationsrates die Bürger auch ermutigen, "Verantwortung für ihren Konsum digitaler Inhalte zu übernehmen".

Nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk sorgte vor allem die inzwischen unter X laufende Plattform für Verwirrung rund um verifizierte Konten. Früher galten dort die zunächst kostenlosen blauen Häkchen als wichtiger Indikator für Glaubwürdigkeit. Musk machte sie kostenpflichtig, sodass das System für Missbrauch anfällig wurde. Vor Kurzem kehrten einige der ursprünglichen blauen Haken überraschend zurück. Ein Konzernvertreter ließ Bundestagsabgeordnete jüngst wissen, eine der größten Sorgen des Unternehmens sei es, dass die wachsenden Möglichkeiten von Technologien mit Künstlicher Intelligenz (KI) das Erstellen einer großen Anzahl von Fake Accounts erleichterten. X werde weiter algorithmische Entscheidungssysteme im Kampf dagegen einsetzen müssen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte Mitte Februar nach einem Austausch mit Internetunternehmen sowie Vertretern der Zivilgesellschaft und den zuständigen Behörden vor Hass und Rechtsextremismus im Netz: Autokratische Staaten erzeugten mit Fake Accounts künstliche Reichweite oder erfänden mit KI-basierten Bildern Geschichten. Mit koordinierten Einflusskampagnen versuchten sie, die freie Meinungsbildung zu manipulieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachte diese Entwicklungen genau und steuere gegen. Das Innenressort baue ferner eine Früherkennungseinheit auf. Sie soll ausländische Manipulations- und Einflusskampagnen zeitig identifizieren.

Die Telekommunikationsminister diskutierten auch über allgemeine Sicherheitsfragen und strategische Interessen. Cyberangriffe sind ihnen zufolge nur ein Teil der Bedrohungen, mit denen eine digitale Gesellschaft rechnen muss. Vor dem Hintergrund internationaler Unruhen hob der Rat hervor, "dass unsere kritischen Infrastrukturen in erster Linie in europäischer Hand bleiben müssen". Er befeuert damit die Debatte über den Ausschluss etwa von chinesischen Ausrüstern wie Huawei und ZTE aus Kommunikationsnetzen wie 5G-Mobilfunk. Die Mitgliedsstaaten betonten die Bedeutung eines einheitlichen europäischen Telekommunikationsmarktes. Eine Harmonisierung könnte den Weg für Investitionen und Innovation ebnen. Einig waren sich die Minister, "dass die digitale Revolution nachhaltig sein muss". Der Markt müsse bei der Ausrichtung auf Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Rohstoffe "einen Gang höher schalten".

(ea)