Kommentar: Steht mit KI-Suchmaschinen das kommerzielle Internet vor dem Aus?

Sie verdienen Ihr Geld mit kommerziellen Inhalten? Die man bei Google findet? Damit dürfte bald Schluss sein – KI klaut Ihren Job!

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 58 Kommentare lesen
KI

(Bild: iX)

Lesezeit: 3 Min.

Da hat man seine Website fein säuberlich suchmaschinenoptimiert, die Anzeigenkunden sind zufrieden, der originelle Content fließt – und doch muss man sich Sorgen machen, mehr als je zuvor. Denn Chatbots mit künstlicher Intelligenz haben ein Damoklesschwert über dem Haupt aller Websitebetreiber aufgeknüpft, die Informationen bereitstellen. Ihr universeller Anspruch lässt eine Zukunft erahnen, in der eine Suchmaschine die Seiten, auf die sie verweist, nicht mehr auflistet, sondern verkörpert. Wer sucht, müsste die Seiten dann kaum noch besuchen – und die Visits brächen ein.

Ein Kommentar von Kornelius Kindermann

Kornelius Kindermann ist Volontär bei iX und interessiert sich für Netzwerke, Systemmanagement und den Rückschlag der Technik auf die Gesellschaft.

An sich ist das keine neue Entwicklung. Man braucht keine KI-Innovationssprünge, um zu merken, dass Google den Suchenden schon länger gerne selbst unter die Arme greift. Der Trend zur assistierten Suche lässt sich an Wikipedia-Auszügen, Shoppingempfehlungen und Zusammenfassungen festmachen, die schon jetzt die erste Seite der Suchergebnisse beherrschen. Wie praktisch – und wie lukrativ für den Anbieter –, hätte Google doch einfach eine Antwort auf alles. Man würde die Suchmaschine ja kaum mehr verlassen müssen.

Ein Chatbot nach dem Vorbild von Microsofts Bing wäre ein wahrer Killer für die Netzwelt. Da ein statistisches Korrelationsmodell nur schwer Quellen angeben kann, würde sich eine intelligente Suchmaschine wohl nur ungern mit dem Verweis auf die Originalseiten abgeben, mit denen ihre Neuronen trainiert wurden. Die Seitenbetreiber müssten sich damit hinter die Künstler einreihen, die den Raub ihres geistigen Eigentums beklagen – und dürften sich die Frage stellen, warum sie sich überhaupt noch die Mühe machen, eigene Inhalte zu produzieren.

Das Schwert, das über den Seitenbetreibern hängt, hat sogar schon einen Namen: Bard heißt die KI-Chatbot-Offensive, die Google seit einigen Monaten fährt. Das Seil, das Bard am Heruntersausen hindert, ist die Ungenauigkeit, die Chatbots heute noch offenbaren. Microsofts Bing-Bot gestand Usern seine Liebe, ChatGPTs Schwachstellen amüsieren in schöner Regelmäßigkeit und Bard gab beim Test inhaltlich falsche Antworten zum James-Webb-Weltraumteleskop – was die Google-Aktie um 9 Prozent einbrechen ließ.

iX Newsletter: Monatlich spannende Hintergründe zur neuen Ausgabe​

(Bild: iX)

Kennen Sie schon den kostenlosen iX-Newsletter? Jetzt anmelden und monatlich zum Erscheinungsdatum nichts verpassen: heise.de/s/NY1E In der nächsten Ausgabe geht's ums Titelthema der Mai-iX: Worauf es bei der Karriere in der IT-Security ankommt.

Während das Seil aber immer dünner wird, je besser die KIs hinter den Chatbots trainiert werden, könnte es auch einfach durchgeschnitten werden. Dafür bräuchte es nicht mehr als einen Disclaimer und einen vermeintlichen Verweis: "Hier ist deine Antwort – aber nimm mich nicht für voll, auf dieser Seite steht mehr dazu!" Das würde ausreichen, um einen massiven Anteil an täglichen Suchvorgängen abzufangen und trotz des Disclaimers bei Bard zu halten. Und wenn sich eine neue Generation von Suchenden erst einmal an den Bot gewöhnt hat, beginnt der Kahlschlag – vom kleinen Blog über das spezialisierte Fachforum bis hin zum großen Magazin.

Bei diesem Kommentar handelt es sich um das Editorial der kommenden iX 5/2023, die am 27. April erscheint.

(kki)